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Was ihm fehlen wird, wenn er tot ist: Roman (German Edition)

Was ihm fehlen wird, wenn er tot ist: Roman (German Edition)

Titel: Was ihm fehlen wird, wenn er tot ist: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Hoffmann
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dahinter das Gefolge. Eine Ausreißer-Prozession, aufrechte Hälse, den Blick nach vorne gerichtet. Gsch, gsch, machte Paula, die Gänse vor sich hertreibend, immer zu ihm hin, voraus dieser alte Gänserich, der so aggressiv schien, dass Bili ń ski die Axt gegen ihn schon fast erhoben hatte, als Paula lachte. Ihn nicht auslachte, nur froh lachte, weil sie offenbar ihre Ähnlichkeit entdeckte: Ihr beiden mit euren langen Hälsen!
    Es war eine Handbewegung, die alles veränderte. Er unterbricht sich. Eine grazile leichte Bewegung, als zögen Paulas Finger die Linie seines Körpers nach. Erklärt er der kleinen Schwester und spürt, wie sein Körper die ihm noch verbliebene Elastizität beim Erinnern entdeckt, als wollte er sich aufbäumen. Er kann dabei sogar die Augen öffnen, für einen Moment Marita anschauen, er ist froh, dass sie da ist, ihn jetzt nicht unterbricht, bleibt, er will die Augen lieber wieder schließen.
    Paula machte kein Geräusch, wenn ich nachts zu ihr kam, und keines, wenn wir uns liebten, und keines danach. Unter der Decke fand ich sie im Nachthemd, auf der Seite liegend, fast an die Wand gedrängt, daran merkte ich, dass sie gewartet hatte. Die rechte Bettseite war kalt. Ich schob mich neben sie auf die restlichen fünfzig Zentimeter, die noch blieben, sie schob ihre Knie in meinen Schoß zuerst, sie war so klein neben mir, rund, und ich spürte ihre Hand, die sich unter meine Wange legte, sah ihre Augen im Dunkeln, ihre Schulter unter der Decke weich hervorschauen, und ich nahm ihre noch freie Hand, die trocken war, aber zitterte.
    Du riechst gut, wie ich das sagen musste, wie oft.
    Nicht nur weil Paula die erste Frau war, bei der ich lag, sondern weil ich immer Stall, Scheiße und Feld oder Feuer und Kohle roch, nur im besten Fall einmal ein Tier oder Wald oder Wiese oder Wiecheks schweißige Kleider, aber es roch nie gleichzeitig warm und gut. Nicht mehr, seit ich auf dem Hof war, nicht mehr seit Izys Tod. Und als ich ihren Arm hinaufstrich, war der glatter als das Fell von Izy und ihre Haut der meinen näher als bei einer Berührung mit Mili. Das war ja eigentlich doch klar, aber so eine Überraschung geschah vielleicht nicht oft im Leben.
    Er hielt inne. – Und Paulas Hand hielt sein Handgelenk fest und wanderte dann vorsichtig über seinen stark gewordenen Unterarm bis zum Ellbogen unter seinem Hemd hinauf, erreichte mit den Fingerspitzen noch den Anfang des Bizeps, dann wurde das Hemd zu eng. Paulas Hand trat den Rückweg an, da lag er still und tat nichts, aber sein Herz rannte, raste, er begann zu schwitzen, und fragte sich, und dann sie, ob er das Hemd ausziehen durfte, sollte. Sie öffnete ihm schweigend einen Hemdknopf über der Brust, als sei ihr die Stimme abhandengekommen. Ob sie Angst hatte, der Alte könnte sie hören, aber der schlief doch bestimmt. Schnarchte der nicht? Der schlief doch nebenan, oder nicht? Erst am Tag später erfuhr er, dass der Alte meist in der Stube auf dem Sofa einschlief und in Kleidern erwachte, morgens, ganz in der stillen Frühe, noch vor den Vögeln. Für einen Moment überkam Janek in der Nacht die Angst, aber Paulas Bewegungen waren ruhig, und sie schien zu wissen, was sie tat.
    Die kleine Schwester schweigt. Und wenn auch er schweigt, hört er sie leise und ruhig atmen. Sie ist da. Wie ein kleiner Jubel berührt ihn das für Augenblicke.
    Und als er sein Hemd ausgezogen hatte, begann die Wanderung der Hand wieder am Handgelenk, folgte der harten Sehne bis zum Ellbogen, legte sich über den Bizeps und wog ihn, als wäre er eine Birne, ein Apfel, eine Frucht jedenfalls, dann erklomm sie über den Armrücken seine Schulter und lag an ihm, still, aber unruhig. Und er wagte kaum sich zu bewegen beim ersten Mal, und wie sein Schwanz in der Hose angeschwollen war und herauswollte, bereitete ihm Pein, bis Paula sich gegen ihn drückte, stemmte fast. Da hatte sie es bemerkt, und die Hand verließ die Schulter, dabei blieb die andere immerzu unter seiner Wange liegen, als müsste sie ihn trösten, und manchmal rieb sie leicht über die Bartstoppeln, die waren noch weich. Auf der Brust schlingerte sich die Hand durch sein glattliegendes Haar, hinunter zum Bauchnabel, verfolgte die Schnecke, und er schloss die Augen, öffnete sie manchmal, da sah er, wie Paula ihn anschaute. Und immer noch lagen sie eigentlich fast wie Geschwisterkinder nebeneinander, obwohl er am liebsten auf sie wollte, sie von Kopf bis Fuß spüren, ihren fülligen Körper, der ganz

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