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Was im Dunkeln liegt

Was im Dunkeln liegt

Titel: Was im Dunkeln liegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Janes
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vermacht hat. Es ist wie eine Geste der Vergebung  –  eine Segnung.
    Ich weiß, es wird keine Fragen mehr geben. Spüre ich eine Anwandlung von Schuldgefühl, weil ich sie bis zuletzt täusche? Nein  –  denn ich bewahre sie vor einer Wahrheit, die vernichtender ist als alles, was sie sich jemals vorgestellt hat.
    Als sie ihren Griff löst, ziehe ich meine Hand zurück und lasse ihren Inhalt in meine Jackentasche gleiten. Ihre Augen sind wieder geschlossen, ihre Atmung geht flach. Die Uhr tickt jetzt lauter, übernimmt den führenden Part in dem Duett.
    Mein Handy piepst leise aus der Tiefe meiner Handtasche heraus, informiert mich über das Eintreffen einer Nachricht. Falls Mrs I. es gehört haben sollte, so lässt sie es nicht erkennen. Ich angle das Handy heraus und lese die Nachricht:
    Wie geht es Dir? Ruf mich später an, wenn Du kannst.
    Natürlich Hilly. Wir achten auch bei unseren SMS immer auf ordentliche Orthografie und Interpunktion. Zwei Ex-Lehrerinnen  –  was soll man da anderes erwarten? Ich antworte:
    Bin immer noch bei Mrs I. Ihr Zustand ist sehr schlecht, deshalb werde ich noch eine Weile bleiben.
    Hillys Antwort kommt nahezu sofort.
    Du Arme. Ich denke an Dich. Ruf nicht an, wenn Du zu müde bist.
    Während ich die Nachricht lese, höre ich in meinem Kopf ihre Stimme, wie sie die Worte sagt. Teure Hilly  – die mich als Freundin liebt, aber mich nicht auf jene andere Weise lieben kann. »Ich bin nicht so veranlagt«, sagte sie vor vielen, vielen Jahren  –  ziemlich die gleichen Worte,
die ich damals zu Trudie gesagt hatte. Der Unterschied ist freilich, dass sie bei Hilly der Wahrheit entsprechen. Manchmal verlieben wir uns in den falschen Menschen, aber es ist gut, sie zur Freundin zu haben  –  seit über dreißig Jahren.

31
    Als ich mich bückte, um das Büchereibuch aufzuheben, bemerkte ich unter dem Bett etwas Kleines, Schimmerndes. Ich kniete mich hin, um den Gegenstand besser erkennen zu können, und entdeckte, dass es ein Füllfederhalter war  –  nicht irgendein billiger Füller, sondern ein edles Teil, das durch die nur allzu bekannten eingravierten Initialen T. E. A. F. eine persönliche Note erhielt. War ich eigentlich der einzige Mensch hier im Land, der seine Initialen nicht überall verewigte?
    Der Fund machte mich nervös. Ich dachte, ich hätte alles so schlau hinbekommen, und trotzdem war hier ein gefährlicher, verräterischer Gegenstand aus Trudies Besitz, den ich völlig übersehen hatte. Und ich hatte auch keine Ahnung, was ich mit dem Füller anstellen sollte. Weder Feuer noch Müll schienen mir dafür geeignet zu sein.
    Mehrere dumme, störende Gedanken überfielen mich, noch ehe ich sie abwehren konnte: Vielleicht hatte Trudie  –  oder gar Agnes  –  das Buch auf den Boden fallen lassen, damit ich den Füller fand. Oder vielleicht war das Finden des Füllers nur nebensächlich, und etwas oder jemand wollte, dass ich das Kapitel über Agnes Payne las. Meine Vernunft sagte mir etwas anderes: Ich hatte das
Buch selbst vom Fensterbrett gestoßen. Und natürlich musste es genau an dieser Stelle aufklappen, weil es in der Position mindestens drei Tage lang mit den Seiten nach unten auf dem Boden gelegen hatte. Würde man das Buch hundertmal hinunterwerfen, würde es vermutlich jedes Mal bei Agnes Payne aufklappen.
    Als ich das Buch aufhob, fiel mein Blick auf die Anfangszeile: Obwohl der Mord an Agnes Payne offiziell als unaufgeklärt gilt   –  Obwohl? Warum obwohl? Unwillkürlich erwachte meine Neugierde. Eigentlich durfte ich keine Zeit vergeuden, aber ich begann dennoch weiterzulesen.
    Obwohl der Mord an Agnes Payne offiziell als unaufgeklärt gilt, ist die ortsansässige Historikerin Maisy Gregson nun mehr als ein halbes Jahrhundert nach dem Mord der Überzeugung, den Täter gefunden zu haben. So viel zu dem Zeitschriftenartikel, dachte ich. Der Autor hatte seine Hausarbeiten offenbar nicht gründlich gemacht. Ich überflog den Rest des Berichts. Es war mehr oder weniger eine Wiederholung dessen, was wir bereits wussten  –  bis ich zu den letzten Absätzen gelangte.
    Scotland Yard wurde hinzugezogen, doch die Ermittler aus London kamen auch nicht weiter als die örtliche Polizei. Die Ermittlung verlief im Sande, und der Fall blieb unaufgeklärt. Zumindest bis zum Jahr 1967, als Maisy Gregson damit begann, die Geschichte der Gemeinde niederzuschreiben. Als sie eines Tages über den alten Kirchenbüchern saß, stieß sie auf

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