Was im Dunkeln liegt
weg von hier.
Als ich die Küche betrat, kam Simon gerade durch die Hintertür herein.
»Hi«, sagte ich. »Hast du rausgekriegt, wie lange es noch dauert, bis dein Onkel kommt?« (Mir fiel leider zu spät ein, dass ich das anhand von Trudies Tagebuch hätte herausfinden können, wenn ich die Zeit nicht mit Herumschnüffeln vergeudet hätte.)
»Nein, damit habe ich mich noch nicht befasst.«
Das kam mir seltsam vor. Simon musste sich doch fragen, was sein Onkel dazu sagen würde, dass ein Großteil des Gartenprojekts noch immer nicht fertig war. Er schien meine Gedanken lesen zu können, denn er fügte hinzu: »Im Moment kann ich an gar nichts denken – ich kann überhaupt nicht klar denken.«
Ein mehrmaliges scharfes Klopfen unterbrach uns. Jemand war an der Haustür – jemand, der das traditionelle Rat-a-tat-tat bevorzugte, um sich Gehör zu verschaffen. Simons Augen weiteten sich, und er umfasste die Lehne des am nächsten stehenden Stuhls, als suchte er nach einem Halt. Ich musste wohl selbst am Rand der Hysterie gewesen sein, weil mir diese ganze Situation plötzlich extrem witzig vorkam. »Das wird die Avon-Beraterin sein«, sagte ich. »Soll ich aufmachen?«
Simon kapierte den Witz offensichtlich nicht. Er starrte mich einige Sekunden lang an, ehe er sagte: »Sieh du nach, wer es ist. Ich werde hier warten.«
Ich hüpfte nahezu durch die Diele, war völlig aufgekratzt. Wir hatten bereits die Bauarbeiter hier gehabt, die Polizei und den Postboten. Was mochte das Schicksal jetzt noch für uns bereithalten?
Der Mann, der auf der Treppenstufe vor der Tür wartete, war groß und dünn. Er trug einen altmodischen, tweedartigen Anzug und hatte absurd breite graue Koteletten. In den Händen hielt er einen Hut, den er wahrscheinlich gerade erst abgenommen hatte. Eigentlich war es eher eine Mütze mit Ohrklappen, wie Sherlock Holmes sie zu tragen pflegte. Ein wilder Drang loszuprusten überkam mich, den ich nur mühsam unterdrücken konnte. Offenbar waren den Göttern die Tricks ausgegangen, sodass sie uns nun Sherlock Holmes persönlich schickten.
Der Mann betrachtete mich auf eine Art, wie jemand eine Nacktschnecke beäugen würde, die in sein Treibhaus eingedrungen ist. Er hielt sich nicht mit Begrüßungsfloskeln auf. »Ist Trudie da?«
Aha, die Überrumplungstaktik – der Versuch, mich unvorbereitet zu erwischen. »Nein«, sagte ich zurückhaltend,
während ich weiterhin gegen mein Verlangen zu lachen ankämpfte. »Sie wohnt nicht mehr hier.«
Ungläubig sah er mich an. »Sind Sie sicher? Sie hat mir aber ausdrücklich diese Adresse genannt.«
Allmählich kam ich wieder zur Vernunft. »Wieso? Ich meine – wer sind Sie?«
Er griff in sein Jackett und zog eine Visitenkarte hervor, die er mir reichte. Der Karte konnte ich entnehmen, dass es sich bei dem Mann um einen Antiquitätenhändler aus Leominster handelte. Unschlüssig, wie ich darauf reagieren sollte, gab ich ihm die Karte zurück. Er blieb unverdrossen auf der Türstufe stehen, erwartete offensichtlich, ins Haus gebeten zu werden. Als keine Einladung erfolgte, begann er sein Anliegen vorzubringen; sein Ton war ungeduldig, seine Miene angewidert, als würde er etwas Ekliges riechen. »Trudie kam letzte Woche in meinen Laden und zeigte mir etwas recht Wertvolles. Es lag nicht in meinem Fachbereich, deshalb sagte ich, ich würde bei einem Freund nachfragen, und wie sich herausstellt, ist er tatsächlich interessiert. Und deshalb bin ich jetzt hier.«
»Um welchen Gegenstand handelt es sich denn?«
»Ich denke, das ist eine Sache zwischen Trudie und mir.«
»Nun ja, es ist durchaus möglich, dass dieser Gegenstand gar nicht ihr gehört, verstehen Sie? Er könnte jemand anderem gehören. Jemandem, der – hier wohnt.«
»Verstehe. Ich erklärte der jungen Dame, dass sich vor einem Verkauf unvermeidlich die Frage nach der Herkunft des Objekts stellen würde. Wissen Sie denn etwas über den fraglichen Gegenstand?«
O Gott. Wahrscheinlich glaubte er jetzt, wir seien eine Bande Antiquitätendiebe oder etwas in der Art. »Kommt darauf an«, wich ich aus, »um welchen Gegenstand es
sich handelt. Es ist nicht zufällig eine Teekanne mit Rosen darauf?«
Er richtete sich auf, als sei er durch die Frage gekränkt. »Es ist eine Briefmarke. Eine hawaiianische Missionsbriefmarke, wenn Sie es genau wissen wollen. Also – ist dieses Mädchen, das sich Trudie nennt, nun da oder nicht?«
Ich starrte ihn an. War das alles ein
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