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Was im Dunkeln liegt

Was im Dunkeln liegt

Titel: Was im Dunkeln liegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Janes
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ich draußen vor der Tür, nahm mir müßig eine Zeitung vom Ständer und blätterte sie flüchtig durch.
    Der Schock kam auf Seite fünf. Wachsende Sorge um die vermisste Schülerin Trudie Finch. Es war das Foto, das meinen Blick auf sich gezogen hatte. Ein normales Schulfoto, auf dem Kopf und Schultern eines Mädchens in Schuluniform  –  Pullover mit V-Ausschnitt, Bluse, gestreifte Krawatte  –  zu sehen waren. Das lange dunkle Haar war zu zwei Rattenschwänzen hochgebunden. Es war unverkennbar Trudie.
    Genau diesen Moment wählte sie, um unbekümmert aus dem Laden herauszuschlendern. Ich brachte kein Wort hervor, deutete nur auf das Foto. Trudie blieb völlig ruhig. Sie nahm mir die Zeitung aus der Hand, faltete sie zusammen und schob sie in den Ständer zurück. Dann
fasste sie mich sanft am Arm und dirigierte mich ein paar Meter die Straße hinunter.
    »Tu so, als hättest du das nicht gesehen«, sagte sie.
    »Aber ich habe es gesehen.«
    »Vergiss es einfach. Wenn du es nicht gesehen hast, hat sich nichts geändert und du brauchst dir keine Gedanken darüber zu machen oder es den anderen gegenüber zu erwähnen.«
    »Hast du keine Angst, dass dich jemand erkennen könnte, wenn du ständig in die Stadt fährst?«
    Trudie zuckte die Achseln. »Von einem Schulfoto? Jetzt mach aber mal halblang. Du verrätst mich nicht, oder? Du bist doch meine Freundin.«
    »Klar bin ich das«, sagte ich. »Aber …«
    Sie packte mich am Arm und legte den Finger auf die Lippen. »Schhh.« Sie hatte die Jungs erspäht, die nur wenige Schritte entfernt aus dem Musikgeschäft kamen. Für weitere Diskussionen war jetzt keine Zeit mehr. Ohne ein Wort oder eine Geste des Einverständnisses zu geben, war ich unversehens zu ihrer Komplizin geworden.
    Ich nehme an, es hat etliche Dinge gegeben, die ich an dieser Stelle hätte sagen oder tun können  –  und irgendetwas davon hätte vielleicht zu der sicheren Heimkehr der vermissten Schülerin Trudie Finch geführt. Ich weiß, ich hätte an die Angst ihrer Eltern denken müssen, aber ohne irgendwelche Fakten zu kennen, wanderten meine Sympathien zielsicher in Richtung der Ausreißerin. Es war nicht nur die normale Verschwörung der Jugend gegen die ältere Generation: in meinem Fall ging die Sache tiefer. War ich nicht selbst eine Art Ausreißerin, die sich eine heimliche Pause von der strengen Aufsicht der Eltern gönnte? Wenn Trudies Eltern auch nur annähernd so waren
wie meine, dachte ich, dann war es kein Wunder, dass sie abgehauen war. Außerdem sah sie aus, als sei sie mindestens sechzehn, sogar auf dem Schulfoto.
    »Können wir jetzt in die Kirche gehen?«, fragte Trudie. »Mir gefällt es dort wahnsinnig gut.«
    Trudie hatte recht. Ich musste nichts darüber wissen. Ich würde so tun, als hätte ich diese untätigen Momente niemals dazu genutzt, durch die Zeitung zu blättern. Nichts hatte sich geändert. Und sollte irgendjemand zufällig herausfinden, dass Trudie bei uns gewohnt hatte (was höchst unwahrscheinlich war, da wir kaum Kontakt mit der Außenwelt hatten), könnte man uns daraus keinen Strick drehen, da wir sie ja nicht, wie Simon an jenem ersten Nachmittag am Strand sagte, gegen ihren Willen entführt hatten.
    Sobald wir aus Hereford zurück waren (wieder ein Tag ohne jede Arbeit am Teich), machte ich mich zum zweiten Mal in Folge daran, unser Abendessen zu kochen  – einfach, um Simon zu demonstrieren, wie unrecht er hatte. Währenddessen streifte Trudie durch sämtliche Zimmer, um zu entscheiden, welches wohl die verheißungsvollste Atmosphäre für eine Kontaktaufnahme mit der Geisterwelt hatte. Ich beäugte diese vorbereitende Aktion mit einiger Skepsis, argwöhnte, Trudie wolle nur eine möglichst gruselige Stimmung erzeugen, um uns Angst einzujagen. Das Zimmer, das schließlich für die Séance ausgewählt wurde, war ein großer, unbewohnter Raum im vorderen Bereich des Hauses. Darin befanden sich nicht nur ein Doppelbett, ein altmodischer Kleiderschrank und eine Kommode, sondern auch eine Chaiselongue, die auf einem runden Teppich zwischen Kommode und Fußende des Bettes stand.

    Auf Trudies Anweisungen hin schoben Simon und Danny die Chaiselongue an eine Wandseite und rollten den Teppich zusammen. Dadurch entstand auf dem grüngrauen Linoleum eine große leere Fläche, in deren Zentrum Trudie ein leeres Marmeladeglas platzierte, in dem zwei Räucherstäbchen standen. Angeblich waren sie nötig, um den Raum zu reinigen, aber ich war überzeugt,

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