Was im Dunkeln liegt
dass sie lediglich dazu dienten, eine exotische Stimmung zu erzeugen. In der Vorratskammer hatte sie ein paar Kerzen aufgetrieben – diese weißen Stumpen, die in jedem ordentlichen Haushalt für etwaige Stromausfälle aufbewahrt werden –, die sie mit einigen Tropfen flüssigem Wachs auf Untertellern befestigte. Nachdem alle Kerzen sorgfältig aufgestellt und die Kerze, die zum Träufeln gedient hatte, ausgeblasen war, erklärte Trudie die Vorbereitungen für beendet. Bis auf eine letzte Sache – ein Kruzifix.
Alle sahen wir Danny an. Er trug immer ein kleines goldenes Kruzifix an einer dünnen Halskette, die lang genug war, um das Kruzifix unter seiner Kleidung zu verbergen. Nur wenn er sein Hemd auszog, blitzte es zwischen seinen Brusthaaren hervor. Und da wir alle ihn nahezu täglich mit freiem Oberkörper sahen, wussten wir um dessen Vorhandensein.
»Vielleicht finden wir im Haus etwas anderes, das wir benutzen können«, sagte Simon, der Dannys Widerwillen offenbar spürte.
Trudie ließ sich bereitwillig auf den Vorschlag ein, aber obwohl wir von Zimmer zu Zimmer wanderten, die überall verstreuten Objekte genau begutachteten, in Schränke spähten und hohe Regalbretter absuchten, fanden wir kein geeignetes religiöses Artefakt.
Zu guter Letzt landeten wir wieder im Séance-Zimmer. »Dann muss es wohl Dannys Kruzifix sein«, sagte Trudie.
Einen Moment sagte niemand etwas, dann brach Danny selbst das Schweigen. »Machst du mir die Kette auf, Katy? Ich nehme sie so gut wie nie ab.«
Um die Sache zu erleichtern, drehte er sich mit dem Rücken zu mir. Ich musste sein Haar ein wenig zur Seite schieben, um an den Verschluss zu gelangen. Er hatte sich vor Kurzem beklagt, der Verschluss sei kaputt und ginge manchmal von selbst auf, aber heute Abend schien es ewig zu dauern, ihn zu öffnen, als weigerte sich die Kette, den Hals ihres Besitzers zu verlassen.
Trudie nahm mir das Kruzifix ab und legte es beinahe ehrfürchtig auf das Linoleum, direkt neben das Marmeladeglas mit den beiden friedlich brennenden Räucherstäbchen.
»Und jetzt?«, fragte Simon.
»Jetzt lassen wir alles so, bis es dunkel wird«, sagte Trudie. »Bis es Nacht wird«, verbesserte sie sich. »Mitternacht wäre wahrscheinlich die beste Zeit, also schlage ich vor, wir kommen um Viertel vor zwölf zurück und machen uns bereit.«
Sie scheuchte uns hinaus und schloss die Tür hinter uns. Niemand sagte etwas: Wir schlichen tatsächlich auf Zehenspitzen davon. Ich musste mit aller Macht gegen die Vorstellung ankämpfen, dass in diesem Raum bereits etwas anderes war – etwas, das in dem Moment eingetroffen war, als die Tür ins Schloss fiel.
10
Ich begehe aus Prinzip keine Jahrestage. Weder bringe ich Blumen auf den Friedhof, noch setze ich eine Anzeige in die Zeitung. Ein Tag ist wie der andere: Wir erinnern uns an das, woran wir uns erinnern möchten – und manchmal auch an das, was wir lieber vergessen würden.
Für Hilly mache ich eine Ausnahme. Ich weiß, am Vierundzwanzigsten ist Trevors dritter Todestag, und ich bestehe darauf, ihn mit ihr zu verbringen, weil ich weiß, wie schwer es ihr fällt, den Tag allein zu bewältigen. Ihre Töchter leben zu weit entfernt, um ihr beizustehen – Bethany ist in Edinburgh, Sophie nicht einmal in derselben Zeitzone. Also gehen Hilly und ich am Abend zusammen essen. Das ist viel besser, als in dem Haus zu bleiben, das nach wie vor von Trevor erfüllt ist, obwohl er es vor tausend Tagen und mehr verlassen hat.
Hilly ist dankbar. »Du willst sicher nicht, dass ich ständig über Trevor rede«, sagt sie, worauf ich erwidere, es mache mir nichts aus. Und so redet sie ein wenig über ihn, erzählt, was für ein guter Ehemann er gewesen sei und wie sehr sie einander geliebt hätten, ohne freilich zu ahnen, wie schmerzhaft diese Art von Unterhaltung für mich ist – liebste Hilly –, ohne zu wissen, wie sehr das nach wie vor eine wunde Stelle in mir berührt.
Hilly ist keine Frau, die man als hübsch bezeichnen würde. Um die Wahrheit zu sagen, ist sie ziemlich breitschultrig und kompakt – doch sie hat sich gut gehalten, und die Mutterschaft steht ihr. Anders als ich erliegt sie nicht der hohlen Eitelkeit, dem Fitnesswahn und dem Haarefärben. Ihr Haar ist grau und fast männlich kurz geschnitten, was ihren dramatischen, bohemienartigen Kleidergeschmack etwas abmildert – die großen Ohrringe und malerisch drapierten Schals, die bestickten Tops und
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