Was im Dunkeln liegt
Küchenfenster vorbeikäme.
Andererseits – wenn Simon Mädchen nicht mochte, was Danny vermutlich wusste, wäre es dann nicht egal? Doch ich machte es sowieso nicht.
»Ich kann dir helfen«, sagte ich. »Ich meine, draußen.«
Simon blickte zu mir auf: Erleichterung gepaart mit Erstaunen. Ich hatte mich selbst überrascht. Die Worte waren mir entschlüpft, noch bevor ich Zeit hatte, darüber nachzudenken. »Ich brauche vorher nur eine Tasse Kaffee«, fügte ich hinzu.
Die Milch hatte über Nacht draußen gestanden, und im Kühlschrank war keine mehr, also trank ich meinen Kaffee schwarz. Er schmeckte bitter, daran änderte auch eine großzügige Ladung Zucker nichts. Simon hatte irgendeinen orangefarbenen Sirup gefunden, den er in einem kleinen Glas mit Wasser mischte und zur Hälfte austrank, ehe er das Glas beiseitestellte. Wir sprachen kein Wort.
Als wir fertig waren, folgte ich Simon in den Garten. Ich hatte mich auf irgendetwas Schreckliches gefasst gemacht, doch es war kaum etwas zu sehen. Die frisch aufgeworfene Erde war uneben im Vergleich zu der glatten Oberfläche, die am Tag zuvor geschaffen worden war, doch davon abgesehen gab es auf den ersten Blick keinerlei Hinweis auf das neue Geheimnis des Teichs. Dann erspähte ich einen lustigen rot-gelben Stofffetzen, den ich sofort als einen Zipfel von Trudies Rock identifizierte. Es sah aus wie ein kleines Stück Stoff, das auf dem Grund der Grube lag, wohin es der Wind geweht haben könnte. Aber ich wusste, es war ein Teil von etwas viel Größerem, das direkt zu Trudie selbst führte. Simon nahm einen Spaten voll Erde und verteilte sie sorgfältig über dem verräterischen Überbleibsel.
»Als ich heute früh hierherkam«, sagte er beinahe entschuldigend, ohne mich anzusehen, »war noch einer ihrer Füße zu sehen.«
»Sag mir einfach, was ich tun soll«, stieß ich hervor.
Simon runzelte die Stirn. »Wir müssen den Grund ebnen und danach eine Lage Sand darüberschichten«, sagte er. »Aber ich denke, wir könnten uns Zeit sparen, wenn wir den Sand gleich hineinkippen und den Grund damit glätten. Es macht sicher nichts aus, wenn der Sand an manchen Stellen höher ist als an anderen.«
Ich ersparte mir einen Kommentar. Ich kannte mich nicht aus mit dem Anlegen von Teichen – oder dem Beerdigen von Menschen.
»Einer von uns muss sich hineinstellen und den Sand verteilen, während der andere den Sand von dem Haufen hierher karrt.«
»Das mache ich«, sagte ich rasch. »Ich hole den Sand.«
»Das ist schwere Arbeit«, erwiderte Simon zweifelnd.
»Ich möchte es aber. Es macht mir nichts aus.« Alles lieber, als mit Trudie in dieser Grube zu stehen. Alles.
Simon hatte recht: Es war schwere Arbeit. Die beladene Schubkarre zu schieben war dabei nicht der schlimmste Teil – es war das Einschaufeln des Sands in die Schubkarre. Schon nach kurzer Zeit taten mir die Schultern weh, und kleine Rinnsale aus Schweiß strömten mir in die Augen und über den Rücken, obwohl die Luft um diese Zeit noch relativ frisch war.
Jedes Mal, wenn ich eine neue Fuhre herbeikarrte und in die Grube kippte, war es Simon gelungen, einen neuen Flecken dunkler Erde unter einer warmen, orangefarbenen Schicht zu verdecken. Mein Rücken und meine Schultern schmerzten von der ungewohnten Arbeit, und
meine Arme fühlten sich überdehnt an, als wären sie – als kleiner Vorgeschmack auf die Hölle – auf der Folterbank gestreckt worden. Doch ich gab nicht auf. Als Simon fragte, ob ich eine Pause machen wolle, schüttelte ich den Kopf. Es erschien mir richtig, dass ich litt. Es war eine Strafe für die schreckliche Tat, die wir begangen hatten. Wir trugen beide keine Uhr, doch ich schätze, wir hatten eine halbe Stunde gearbeitet, als Danny zurückkehrte. Er kam um das Haus herum, als ich gerade eine Fuhre Sand in die entgegengesetzte Richtung schob. Wir trafen uns am Rand des Teichs, und noch ehe er etwas sagte, entdeckte ich das vertraute Schimmern der Goldkette um seinen Hals.
»Ich habe sie gefunden«, sagte er. »Und das hier.« Er zeigte uns die Taschenlampe. Es war die Taschenlampe aus Simons Wagen, die mit der schwachen Batterie.
Simon erbleichte. »Ich muss sie auf den Boden gelegt haben, als wir sie fanden. Ich hatte sie komplett vergessen.«
»Nur gut, dass ich noch mal zurückgegangen bin«, bemerkte Danny. Er sagte das nicht überheblich, aber in einem Ton, der uns wissen ließ, dass er recht gehabt hatte.
Plötzlich kam mir ein Gedanke.
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