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Was im Dunkeln liegt

Was im Dunkeln liegt

Titel: Was im Dunkeln liegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Janes
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Ferrybridge ohne Pause durchzufahren.
    Die Tankstelle in Ferrybridge ist ziemlich überlaufen. Es sind keine Schulferien, aber dennoch sind verblüffend viele Kinder zu sehen  –  wahrscheinlich vorzeitig aus der Schule genommen von Eltern, die glauben, ein Tag in einem Themenpark sei ebenso lehrreich wie das, was der staatliche Lehrplan zu bieten hat. Ich bemühe mich, einen Tisch zu finden, der möglichst weit von diesen kreischenden Kindern und ihren zänkischen Eltern entfernt ist. Pam und Marjorie bedauern mich, weil ich keine Kinder habe  –  aber ich habe die Mutterschaft nie als meine Bestimmung gesehen: Ich bin von Natur aus nicht der mütterliche Typ.
    Offen gestanden glaube ich nicht, dass ich Lehrerin geworden bin, weil ich Kinder besonders mochte und gern mit ihnen arbeiten wollte. Als meine Schulzeit sich dem Ende zuneigte und mein Mangel an klaren Zielvorstellungen immer augenfälliger wurde, beschränkten sich die Möglichkeiten auf Universität oder Hochschule. Meine Eltern waren der Ansicht, die Universität biete für einen verantwortungslosen Taugenichts wie mich zu viele Freiheiten. Die Hochschule hingegen hatte den Vorteil, dass sie nah genug für mich war, um noch einige Jahre zu Hause wohnen zu bleiben, wo man ein Auge auf mich haben konnte. Die höhere Handelsschule war ein wenig unter unserer Würde  –  meine Mutter hatte nicht in Schuluniformen und Käse und Wein bei den Eltern-Lehrer-Organisationen investiert, damit ihre Tochter als Stenotypistin endete –, also fiel die Wahl auf die Pädagogische Hochschule. Für mich war das in Ordnung  –  ich habe mir damals keine großen Gedanken um meine Zukunft gemacht, und auf der Lehrerseite des Pults zu stehen kam mir wesentlich attraktiver vor als auf der Schülerseite.

    Es gab natürlich einen Einschnitt  –  unmittelbar nach Dannys Tod wurde ich zu meinen Eltern zurückgeschickt, zu traumatisiert, um mein Studium fortsetzen zu können: eine Situation, die sie mit einer Art grimmiger Resignation hinnahmen. Ich war immer das schwierige mittlere Kind gewesen, wurde stets negativ mit meinen Geschwistern verglichen  –  das Kind, das sich nie richtig einfügte und immer ein wenig lästig war. Es war so typisch Katy, ihre akademische Laufbahn (oder wie immer man das nennen wollte) zu vermasseln, indem sie sich mit einem labilen Jungen einließ, der Selbstmord beging. Natürlich haben sie das nicht offen gesagt  –  aber ich wusste, was sie dachten. Mein Bruder und meine Schwester hätten ihnen nie solche Probleme bereitet. Sie verkehrten mit normalen, vernünftigen Leuten, die nicht für Schlagzeilen sorgten und keinerlei Gedanken an Selbstmord verschwendeten. Aber Katy musste sich natürlich einen Psycho schnappen.
    Schlussendlich kehrte ich auf die Pädagogische Hochschule zurück und beendete dort die Lehrerausbildung. Unterrichten ist ein gefräßiger Beruf. Er kann, wenn du es zulässt, dein Leben verschlingen, große Brocken deiner Zeit abbeißen, deine ganze Hingabe fordern. Zum Glück brauchte ich diese totale Vereinnahmung. Als ich mich für den vorzeitigen Ruhestand entschied, waren alle überrascht. »Aber Sie unterrichten doch leidenschaftlich gern«, sagte jemand. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob das tatsächlich so war. Indem ich mich voll und ganz auf den Beruf konzentrierte, gelang es mir, viele andere Dinge, über die ich nicht nachdenken wollte, auszublenden. Vielleicht war das Unterrichten auch wie eine Art Mission, die reuige Sünder sich auferlegen, wenn sie beispielsweise
in einer Leprakolonie arbeiten. Jedes Kind in jeder Klasse wurde für mich eine spezielle Art von Mission  –  aber nach Schulschluss gingen sie nach Hause, und am Ende des Schuljahrs rückten sie eine Klasse vor. Ich war nur ein Teil ihres Lebens, niemals das ganze. Ich glaube, das ist der Unterschied zwischen mir und Mrs Ivanisovic, deren uneingeschränkte Energie nur auf ein einziges Kind konzentriert war.
    Sie hatten in der Tat eine sehr enge Bindung  –  Danny und seine Mutter. Das macht es leichter, an die angebliche Sterbelagerkommunikation zwischen den beiden zu glauben. Sie hat Danny vergöttert. Vielleicht hat der Verlust dieses anderen Kindes ihre Verbindung so eng zusammengeschweißt. Kein Wunder, dass sie nach Dannys Tod am Boden zerstört war. Und jetzt hat auch noch Stan sie verlassen  –  Betty Ivanisovic ist die einsame Überlebende; hält sich an hauchdünnen Fäden am Leben fest. Ein

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