Was im Dunkeln liegt
gequetscht. Als sie Erde auf ihren Körper schaufelten, wackelte das Licht wie verrückt, weil ich von Schluchzern geschüttelt wurde. Sie war noch nicht vollständig bedeckt, als die Taschenlampe bedrohlich zu flackern begann.
»Sie geht aus«, sagte ich mit heller Panik in der Stimme.
»Okay«, sagte Danny und warf noch rasch zwei Spaten voll Erde in die Grube. »Gehen wir rein. Wir können ja nicht die ganze Nacht hier draußen bleiben.«
Simon ließ sich nicht zweimal bitten. Sie warfen ihre Spaten auf den Boden, und wir rannten auf das Haus zu, während Simon in seiner Tasche bereits nach dem Schlüssel kramte. Kaum waren wir an der Haustür angelangt, gab die Taschenlampe ihren Geist auf. In der Dunkelheit warteten wir, bis Simon nach endlosem Gefummel endlich das Türschloss gefunden hatte.
Als er in der Diele das Licht anknipste, fiel mir als Erstes
Trudies Jeansjacke ins Auge, die noch über dem Treppengeländer hing, wo Trudie sie vor einigen Tagen hingeworfen hatte. Erneut brach ich in Tränen aus.
»Es ist gut, Babe. Alles ist gut. Es ist vorbei.« Danny hielt mich fest, während ich mich an ihn klammerte. Wir bemerkten beide gleichzeitig Simons gequälte Miene und streckten die Arme nach ihm aus. Gruppenumarmungen waren damals nicht üblich, aber die Ereignisse der Nacht hatten die gewohnten Schranken und Hemmungen niedergerissen. Arm in Arm standen wir in der Diele: unsere Feindseligkeiten in Nichts aufgelöst, alles vergessen in dem Wissen darum, was wir soeben erlebt hatten. Simon ergriff als Erster das Wort. »In wenigen Stunden wird es hell«, sagte er. »Wir müssen früh mit der Arbeit anfangen, weil wir noch den Grund ebnen müssen, bevor wir mit dem Sand beginnen können.«
»Stell deinen Wecker«, sagte Danny, »und weck mich, wenn du aufstehst.«
Wecken?, dachte ich. Wie sollen wir, um Himmels willen, überhaupt schlafen? Jedes Mal, wenn ich die Augen schloss, sah ich Trudies Gesicht vor mir. Ich fürchtete den Schlaf, hatte Angst, er würde genau die Bilder auferstehen lassen, die ich zu verdrängen versuchte. Erneut sah ich zu der Jeansjacke hinüber, und Simon folgte meinem Blick.
»Wir müssen überlegen, was wir mit ihren Sachen machen«, sagte er.
»Morgen«, erwiderte Danny bestimmt. »Jetzt müssen wir erst mal ins Bett.« Er zog mich zur Treppe. Simon folgte uns in ein, zwei Schritten Abstand. Danny drehte sich zu ihm um. »Mach dir keine Sorgen, Mann. Okay?«
Simon nickte. »Gute Nacht«, sagte er.
Trotz unseres wütenden Wortwechsels im Wald tat er
mir nun leid, als wir uns auf dem Treppenabsatz von ihm trennten. Danny und ich hatten wenigstens einander. Simon musste den Rest der Nacht allein verbringen. Ich dachte daran, wie er Trudie nach der Séance getröstet hatte – dafür gesorgt hatte, dass sie nicht allein blieb. Als ich die Zimmertür hinter mir schloss, erschauerte ich unwillkürlich.
»Kalt?«, fragte Danny. »Keine Bange. Gleich liegst du warm und sicher unter der Decke.« Während des Sprechens zog er sein T-Shirt aus. Es dauerte ein, zwei Sekunden, bis mir bewusst wurde, was fehlte.
»Danny – wo ist dein Kruzifix?«
Er blickte an sich hinab. Das Kreuz und die Kette waren nicht da.
»Scheiße«, sagte er. »Ich muss die Kette im Wald verloren haben. Als wir Trudie hochhoben, kam es mir vor, als würde ich etwas spüren. Verdammter Mist. Ich werde morgen früh zurückgehen und danach suchen müssen.«
Als wir Minuten später Seite an Seite dalagen und Danny das Licht ausgeschaltet hatte, fragte ich: »Warum hasst mich Simon?«
»Er hasst dich nicht.«
»Doch. Er hat nie ein freundliches Wort für mich. Heute Nacht hat er mich sogar beschuldigt, Trudie getötet zu haben. Man muss jemanden wirklich sehr hassen, um so etwas zu behaupten.« Ein neuer Gedanke kam mir in den Sinn. »Er glaubt das doch nicht wirklich, oder?«
»Nein, natürlich nicht. Er hat diesen Blödsinn nicht gesagt, weil er ihn glaubt. Er wollte einfach nur demonstrieren, wie die Sache für einen Außenstehenden aussehen könnte – für jemand, der uns nicht kennt und nicht glaubt, dass es ein Unfall war.«
»Glaubst du, dass es ein Unfall war?«
Eine kurze Pause trat ein, ehe er sagte: »Ja doch …«
»Aber dieser Schrei …«
»Ich nehme an, sie ist gestolpert und in die Drahtschlingen gefallen. Und hat dann geschrien. Wahrscheinlich hat sie versucht, sich zu befreien, aber als sie dann vollends das Gleichgewicht verlor, haben sich die Schlingen und der
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