Was im Dunkeln liegt
»Was ist mit der anderen Taschenlampe passiert? Diejenige, die Trudie benutzt hat?«
»Ich habe sie gestern Nacht mitgenommen«, sagte Danny. »Erinnerst du dich nicht? Sie lag auf dem Boden – kaputt. Ich habe sie aufgehoben und in die Tasche gesteckt.«
»Und sonst war nichts da?«, fragte Simon. Er war sichtlich erschüttert über dieses Beispiel unseres Leichtsinns. Es zeigte, wie leicht wir hätten erwischt werden können.
»Nichts, was darauf hindeuten würde, dass irgendetwas oder jemand überhaupt dort gewesen ist«, sagte Danny.
»Was ist mit dem Kletternetz? Da muss doch sicher etwas zu sehen sein.«
Danny zögerte. »Es war schon vorher ziemlich ramponiert«, sagte er. »Und was jetzt noch kaputt ist, könnte leicht vom Wind verursacht worden sein oder von einem Vogel, der hineingeflogen ist, oder etwas in der Art. Vielleicht sogar bewusst zerstört von irgendeiner Kinderbande.«
»Wo hast du dein Kreuz gefunden?«, fragte ich. »Hast du lange suchen müssen?«
»Nein – fast gar nicht. Die Kette hing mitten in diesem Durcheinander aus Seilen und Drähten. Vermutlich hat sie sich dort verfangen, als ich Trudie aus dem Netz befreit habe. Zum Glück ist sie nicht gerissen. Der Verschluss scheint mal wieder aufgegangen zu sein. Er ist schon seit einiger Zeit locker – ich muss ihn unbedingt reparieren lassen.«
Im Geiste sah ich das Kruzifix dort hängen. Das kleine goldene Kreuz, das die Stelle markierte, wo Trudie gestorben war.
»Wir sind gut vorangekommen«, sagte Simon. Er deutete auf den Grund der Grube, der fast völlig mit Sand bedeckt war, doch sein Ton war flach, gleichgültig.
»Ist ja super«, rief Danny. In seiner Stimme schwang aufrichtige Reue, als er fortfuhr: »Ich komme mir wirklich schäbig vor, dass ich euch allein habe schuften lassen – aber ich musste einfach gehen.«
»Das war genau richtig, Mann«, sagte Simon. »Auf der Taschenlampe stehen mit Filzstift meine Initialen.« Welche Meinungsverschiedenheit vorhin zwischen ihnen auch
gewesen sein mochte, jetzt war die Partnerschaft wieder stabil.
Nach Dannys Rückkehr trieb ich mich noch eine Weile im Garten herum und beobachtete die beiden bei der Arbeit. Danny karrte den Sand herbei und Simon verteilte ihn Fuhre um Fuhre. Mit der Zeit merkte ich, dass ihnen meine Aufmerksamkeit unangenehm war, dass sie wohl der Meinung waren, ich sollte mich besser um andere Dinge kümmern. Meine Gedanken kehrten zu dem Haus und vor allem zu der unaufgeräumten Küche zurück. Früher oder später würde ich nach drinnen gehen und mich über den Abwasch hermachen müssen. Außer mir gab es jetzt niemanden mehr, der das tun würde.
23
Am Vorabend meiner zweiten Reise nach Sedgefield trifft das Ende meines Abendkurses in Italienischer Konversation mit einem Wolkenbruch zusammen. Mein Wagen steht am hintersten Ende des Parkplatzes, und natürlich habe ich meinen Regenschirm im Seitenfach der Tür gelassen und werde bis auf die Haut nass. Zur Krönung dieses wunderbaren Abends klingelt das Telefon, sobald ich zur Haustür hereinkomme.
Es ist meine Schwester. Sie eröffnet das Gespräch, indem sie sich nach meinem Befinden erkundigt, was lediglich als Stichwort für meine Zeile dient, die da lautet: »Gut. Und wie geht es dir?«
Signal für die Hauptdarstellerin, sich in einem langen Monolog über die diversen Probleme zu ergehen, die ihr Leben gegenwärtig belasten. Der geschiedene Immobilienmakler, auf den sie so große Hoffnungen gesetzt hatte, stellt sich als Trottel heraus. Ihre ältere Tochter, Martine, lebt mit irgendeinem »absolut unpassenden« Mann in »irgendeinem grässlich verwahrlosten Teil von Bristol« zusammen – wohingegen ihre jüngere Tochter, Belinda (Binny für ihre Mutter), womöglich eine Essstörung hat. Ihre beiden Exehemänner sind »total nervig« – der eine hat gerade eine sehr viel jüngere Frau geheiratet –, offenbar
ein Akt der Provokation. Bilde ich mir das ein oder sagt meine Schwester tatsächlich »er hat das nur getan, um mich zu ärgern«?
Schließlich ringt sie sich zu der Frage durch: »Und wie sieht es bei dir so aus? Hast du mal wieder etwas von Eddie gehört?« In dem dramatischen Film, der das Leben meiner Schwester kennzeichnet, sind meine privaten Aktivitäten völlig nebensächlich und dienen höchstens als Überleitung zu den Neuigkeiten, die es im Leben unseres gemeinsamen Bruders gibt – also der Verknüpfung dieser beiden nicht in Zusammenhang
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