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Was im Dunkeln liegt

Was im Dunkeln liegt

Titel: Was im Dunkeln liegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Janes
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stehenden Fragen.
    »Vor ein paar Monaten habe ich mit ihm und seiner Familie einen Ausflug gemacht. Es geht ihnen gut.«
    Sie nimmt das als Anlass, um sich nur schlecht verhüllt als vernachlässigtes Opfer darzustellen, indem sie anführt, weder er noch ich machten uns die Mühe, auch einmal einen Tag mit ihr zu verbringen. Das ist teilweise richtig, in meinem Fall jedoch nicht ganz, denn als ich mir einmal die Mühe machte, einen Tag mit ihr einzuplanen, wurde ich knallhart abserviert, weil irgendein Typ mit einem Aston Martin sie zum Mittagessen eingeladen hatte.
    Während ich im Notizblock herumkritzele und nur mit halbem Ohr zuhöre, entsteht in meinem Kopf ein Bild von Mrs Ivanisovic: nicht die gebrechliche Bewohnerin von Broadoaks, die wie ein Blätterhaufen im Herbstwind umgepustet werden könnte, sondern eine jüngere, kräftigere Version, deren Körper vor Konzentration und Entschlossenheit angespannt ist, als sie am Bett ihres Sohnes sitzt und immer gefährlichere Fragen stellt, auf die er mit einem Drücken ihrer Hand antwortet. Das Bild zerreißt unvermittelt, als meine Schwester verkündet,
sie könne für zwei Wochen die Villa eines Freundes in Portugal haben, und fragt, ob ich sie nicht begleiten wolle. Es gebe einen Pool, ein nettes Restaurant in der Nähe, einen bequem zu Fuß erreichbaren Markt, falls wir uns selbst etwas kochen wollten  –  und vor allem habe sie genügend Meilen gesammelt, um die Flugkosten praktisch auf null zu senken. »Was hältst du davon?«, fragt sie so herzlich, dass jeder, der uns zuhören würde, der Ansicht wäre, zwei gemeinsame Urlaubswochen seien etwas, wonach wir uns schon seit vielen Jahren verzehrten.
    »Wann wäre das denn?«, frage ich. »Ich muss in meinem Terminkalender nachsehen.«
    Ich merke, dass sie beleidigt ist. Der Termin ist bereits in wenigen Wochen, aber jemand wie ich sollte verfügbar sein und ein solches Angebot widerspruchslos annehmen. Um den Anschein zu wahren, blättere ich laut raschelnd durch meinen Terminkalender und schlage einen bedauernden Ton an. »Tut mir leid, Amy, ich kann nicht. Ich habe praktisch jeden Tag etwas vor. Zweimal Theater, außerdem bin ich für die Clubmeisterschaften in Badminton eingetragen …«
    »Könntest du sausen lassen«, unterbricht sie mich.
    »… und ich kann meine Partner nicht hängen lassen«, fahre ich glattzüngig fort, als hätte sie nichts gesagt. »Ich würde zwei Wochen Abendschule verpassen  –  was ich in diesem Stadium vermutlich nie mehr aufholen könnte; und mein Literaturkreis fällt ebenfalls in diese Zeit.«
    »Davon ist nichts wirklich lebenswichtig, oder?«
    »Nun  –  nein. Aber ich würde eine Menge Leute enttäuschen  –  und ich mag es nicht, wenn ich mein Wort nicht halte und Menschen im Stich lasse.« (Nicht einmal für eine Spritztour in einem Aston Martin.)

    Ich erzähle ihr nicht, dass ich tatsächlich viel lieber in den Literaturkreis gehe, wo Wein und Gespräche fließen werden, wo sich Hilly ganz ernst geben und unsere irische Freundin Brenda uns zum Lachen bringen wird, und deshalb versuche ich eine besänftigende Strategie. »Fahr doch allein«, schlage ich vor. »Sieh es als Gelegenheit, dich mal richtig zu verwöhnen. Dir etwas Muße zu gönnen, dich zu entspannen.«
    »Du hast leicht reden, Kate«, fährt sie mich an. »Du bist an das Alleinsein gewöhnt.« Ihre Vorstellung einer einsamen alten Jungfer dringt ebenso klar und deutlich durch die Telefonleitung wie ihre begleitenden Worte. Sie hat wirklich keine Ahnung.
    »Tja, ich bin mir sicher, du wirst jemand anderen finden. Es gibt bestimmt eine Menge Leute, die liebend gern mit dir verreisen würden.« In der Tat habe ich den begründeten Verdacht, dass sie bereits alle anderen, die sie kennt, gefragt hat  –  sonst würde sie nämlich nicht mich fragen. »Wirklich schade, dass ich keine Zeit habe. Vielleicht das nächste Mal.«
    Kurz darauf beendet sie das Gespräch, und ich verabschiede mich mit einem munteren: »Viel Spaß in Portugal.«
    Sobald ich aufgelegt habe, scheint sich die Stille in der Wohnung zu verdichten. Ich streife durch die Räume, krame herum und gehe dann früh zu Bett, nur um mich unruhig von einer Seite auf die andere zu wälzen, während meine inneren Dämonen mit mir Fangen spielen. Gegen fünf Uhr morgens schlafe ich endlich ein, was unvermeidlich zur Folge hat, dass ich viel zu spät aufwache. Als eine Art Bestrafung zwinge ich mich dazu, die ganze Strecke bis nach

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