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Was im Leben zählt

Was im Leben zählt

Titel: Was im Leben zählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allison Winn Scotch
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«Ist das okay?»
    Ich presse meine Lippen zu einer Art Lächeln zusammen, obwohl ich keine Ahnung habe, ob es okay ist, keine Ahnung habe, was ich überhaupt denken soll. Aber mein Ehemann ist zurück, und er will in unserem Bett schlafen, also akzeptiere ich es und versuche, nicht darüber nachzudenken. Ich bin so furchtbar müde. Doch dann schiebt er sich auf mich, und weil er mich küsst, zart, sanft, als hätte er mich genauso vermisst wie ich ihn, reiße ich all meine Kraft zusammen und erwidere seinen Kuss. Seine Lippen werden drängender, verzweifelter, und bald darauf bewegen wir uns mit großer Selbstverständlichkeit. Schließlich haben wir das hier getan, seit wir noch fast Kinder waren.
    Danach rollt Tyler sich zurück auf seine Seite und schläft fast augenblicklich tief und fest. Ich nicht. Ich kann nicht schlafen, auch wenn die Logik es fast verbietet, noch wach zu sein, auch wenn die Tatsache, dass mein Mann endlich wieder neben mir liegt, dass wir beide zusammen sicher und geborgen in unserem Ehebett liegen wie in den guten alten Zeiten, doch eigentlich den Schlaf anlocken sollte. Weit gefehlt. Also starre ich die Decke an, lausche dem Auf und Ab von Tylers Atem, warte auf die Dämmerung, auf den morgigen Tag und auf das, was er bringen wird.

[zur Inhaltsübersicht]
    Sechsundzwanzig
    T yler bringt mich ins Krankenhaus und will wiederkommen, sobald er mit den Leuten von der UW gesprochen hat, die Situation geschildert und ein paar Details geklärt hat, Details, über die wir noch überhaupt nicht gesprochen haben. Er will die Lage erst mit seinen Chefs und dann mit mir besprechen. «Schön», sage ich, als er mir seine Taktik erklärt. «Wie auch immer», sage ich, steige in der Haltezone aus dem Wagen, schließe die Autotür und lege das Gespräch ad acta. Es gibt Wichtigeres.
    Im Krankenhaus erwartet mich eine gute und eine schlechte Nachricht. Es gibt erste Anzeichen dafür, dass Darcy aus dem Koma aufwacht. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte Nachricht ist, dass Ashleys Mutter endgültig im Sterben liegt.
    Ich schaue bei Darcy vorbei, werde aber von einer sehr fürsorglichen Krankenschwester schnell wieder aus dem Zimmer gescheucht, also schleiche ich ziellos durch die Flure, bis ich meinen Vater entdecke. Er starrt durch die Fensterscheibe in Valeries Zimmer. Ashley sitzt zusammengekrümmt neben den Automaten. Exakt so, wie ich es vorhergesehen hatte, ohne zu wissen, wann die Vision Realität werden würde. «Wie geht es ihr?», höre ich Ashley fragen, als ich um die Ecke biege, und mein Vater lässt die Schultern sinken, sieht Ashley an und sagt mit tonloser Stimme: «Sie können noch nichts sagen.»
    Darcy! Sie haben über Darcy gesprochen!
    Plötzlich ertönt aus Valeries Zimmer Alarm, Ashley springt auf und hastet durch die Tür, die heftig hinter ihr ins Schloss fällt. Mein Vater schlägt in einer offensichtlichen Geste der Trauer die Hände gegen die Scheibe, haargenau so, wie ich ihn es in meiner Vision habe tun sehen.
    Das hektische Piepen verstummt so schnell, wie es erklungen ist, und ich trete zu meinem Vater und streichle ihm zur Begrüßung über den Rücken. Er dreht sich um und nimmt mich so fest in den Arm, dass ich fast keine Luft mehr kriege. Sein Hemd riecht nach altem Schweiß, sein Atem nach Eiersandwich aus der Krankenhauskantine.
    «Ich setze mich ein Weilchen zu deiner Schwester», sagt er und lässt mich los. Es ist so offensichtlich, dass er nicht weiß, was er mit sich anfangen soll, weil er sich zu Hause möglicherweise um den Verstand trinken würde. Also bleibt er hier und versucht, sich nützlich zu machen. Ich stimme ihm zu. Mir ist klar, dass die Schwestern ihn bestimmt schon an der Tür abwimmeln, aber ich möchte allein mit Ashley sprechen.
    Sie kommt aus dem Zimmer ihrer Mutter – die Ärzte haben übernommen, versuchen, Valerie noch ein paar letzte Tage zu schenken, auch wenn die Stunden unaufhaltsam verrinnen – und fällt mir um den Hals. Es ist eher die verzweifelte Bitte um Stütze als eine Umarmung.
    «Also hast du es kapiert», sagt sie, löst sich ein Stückchen und sieht mich an. «Kapiert, was ich gemeint habe.»
    «Ja», antworte ich. «Aber es hat zu lange gedauert. Ich hätte eher da sein müssen.»
    «Du warst noch nie besonders schnell von Begriff.» Sie macht sich tatsächlich über mich lustig, und das ist gleichzeitig so unangemessen und typisch für sie, dass ich lachen muss. Es tut gut, dass sie mich trotzdem, trotz alldem hier

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