Was im Leben zählt
sie freue – einfach eine Verabredung.
Dann entdecke ich Eli, drüben am DJ-Pult. Die Lichter flackern über sein Gesicht, beleuchten erst die Wangenknochen, dann die Nase, dann das Kinn, dann verschwinden die Züge wieder im Dunkeln. Er streichelt den Arm einer Frau. Sie steht mit dem Rücken zu mir. Sie ist schlank, schlanker als ich, und sie trägt die Haare kurz, ein stumpfgeschnittener Bob, der den Nacken frei lässt. Ich sitze auf meinem Aussichtspunkt auf der Tribüne und spüre ein ungewohntes Gefühl: Eifersucht. Kann das sein? Eifersucht?
Tyler hat mir nie Grund zur Eifersucht gegeben: Er hat immer schon mir gehört, solange ich denken kann. Erst jetzt, während ich Eli dabei beobachte, wie er seiner Flamme, fast verstohlen, über den Unterarm streicht, wird mir klar, dass Sehnsucht durchaus etwas für sich hat. Es hat mit Entbehrung zu tun, den anderen nicht als dermaßen selbstverständlich zu erachten, dass abgesehen von Zufriedenheit kaum ein emotionaler Funke Platz hat. Damit möchte ich nicht sagen, dass ich das Vertrauen zwischen Tyler und mir nicht zu schätzen wüsste. Ich finde es wunderbar. Doch auf einmal hängt wie ein drohendes Damoklesschwert Seattle über uns, und es besteht durchaus die Gefahr, dass dieses solide Vertrauen, die Basis unserer Partnerschaft, verschwunden ist. Und während mir auf der harten Metallsitzfläche der Tribüne langsam der Hintern einschläft, frage ich mich, ob in Bezug auf das eigene Leben ein Zusammenhang besteht zwischen zu großer Zufriedenheit und einer gewissen Abstumpfung. Als wäre die sichere Seite nicht unbedingt die ungefährlichere.
Der Hip-Hop verklingt, und der DJ blendet über zu einem langsamen Stück. Sofort leert sich die Tanzfläche. Schlaksige Teenager sehen betreten zu Boden und verziehen sich an den Rand der Halle, um aus sicherem Abstand die paar Mutigen zu beäugen, die geblieben sind. Allmählich bringen ein paar Jungs den Mumm auf, ihre Begleitung aufzufordern, und die Paare wiegen sich unsicher im Takt. Einige stehen zu eng, andere halten einander unbehaglich auf Abstand. Ich muss lachen, weil manche Dinge sich tatsächlich niemals ändern.
Ich schaue wieder zu Eli hinüber. Er flüstert der Frau etwas ins Ohr, und sie fangen an zu kichern, eine intime Geste, mit einander zugeneigten Köpfen. Er nimmt ihre Hand und führt sie auf die Tanzfläche. Er zieht sie an sich, sie lehnt den Kopf an seine Schulter, und dann fangen sie an, sich zu bewegen, langsam, vor und zurück, wie das leise Wogen einer Welle. Als das Lied schließlich verklingt, hebt sie den Kopf, küsst ihn auf die Wange, und sie verlassen die Tanzfläche.
Ich sehe ihnen nach. Er streichelt ihren Rücken, verschränkt dann seine Finger mit ihren, und irgendwo hinten beim Tisch mit den Erfrischungen werden sie von der Menge aus geliehenen Smokings und eng anliegenden Corsagen verschluckt. Ich kneife die Augen zusammen, um einen letzten verzweifelten Blick auf ihn – und auf sie – zu erhaschen, völlig überrascht von der heftigen Eifersucht, die in mir tobt – einsam unter meinem Triumphbogen –, aber sie bleiben verschwunden, und bald darauf bin ich es auch.
Diesmal komme ich sofort wieder zu mir, nach Luft schnappend, mit heftig pochender Halsschlagader. Mit feuchten Händen und weißen Knöcheln halte ich noch immer den Stuhl umklammert. Langsam komme ich wieder zu Atem – ein, aus, ein, aus –, ich stabilisiere den Blick, und allmählich weicht der Schwindel von mir, bis der Boden nicht mehr schwankt und die Wände sich nicht mehr krümmen wie im Spiegelkabinett. Ich muss mich zwar konzentrieren, um aufzustehen, aber schließlich stehe ich aufrecht da, obwohl meine Beine sich immer noch zittrig, fast zerbrechlich anfühlen. Als ich mich umdrehe, um zu gehen, höre ich es nebenan rascheln.
«Geht’s dir gut?», fragt Eli, der plötzlich vor mir steht, die Arme beladen mit Zeichenpapier, Stifte und Pinsel in beiden Händen.
Ich laufe puterrot an. Ich bin mir sicher, dass ich rot bin wie eine Tomate.
«Gut, gut !», sage ich leicht hysterisch.
Eli zieht eine Augenbraue hoch.
«Sieht aber nicht danach aus.»
«Nur verkatert», antworte ich, wedle hektisch mit der Hand vor meinem Gesicht herum und hoffe, dass er mir mein Unbehagen nicht ansieht. Mit wem bist du zusammen? , möchte ich schreien. Warum interessiert mich das? , möchte ich noch lauter rufen.
«Die Kamera. Vergiss sie nicht.» Er lädt das Material auf einem Tisch ab und stöpselt die Nikon
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