Was im Leben zählt
Farmer, Tyler
An: Farmer, Tilly
Betr.: Es tut mir leid
Liebe Tilly,
ich weiß, dass das, was ich dir antue, nicht wiedergutzumachen ist. Ich weiß, dass ich dich anrufen und dir alles erklären muss und dass eine E-Mail wirklich ein absoluter Scheißweg ist, um zu sagen, was ich sagen muss. Aber ich möchte es aufschreiben, um nichts falsch zu machen, also entschuldige ich mich für eine ganze Menge Dinge bei dir, inklusive der Tatsache, dass ich dir maile.
Ich bin ein Feigling, und das weiß ich. Ich weiß, dass ich dir mehr schuldig bin, aber ich weiß auch, dass ich keine andere Möglichkeit sehe. Ich möchte dich nicht aus Westlake rausreißen, und ich weiß auch nicht, ob du wirklich mit mir kommen solltest. Ich muss einfach herausfinden, wer ich ohne dich bin. Ich hoffe, du hasst mich nicht dafür. Und ich hoffe, du weißt, dass ich nie wollte, dass die Dinge sich so entwickeln, aber im Augenblick erscheint es mir richtig.
Es tut mir leid. Ich melde mich.
Ty
«Eine E-Mail!», schnaubte Susie. Wir saßen zusammen vor meinem PC. «Eine beschissene, mickrige E-Mail!», schrie sie fast. Ihr Zorn reichte für uns beide.
Ich stand zu sehr unter Schock, um wütend zu sein, ich war viel zu betäubt, um die Energie für Zorn aufzubringen. Und so sprangen Susie und Darcy für mich in die Bresche, schmiedeten Rum nippend Rachepläne, sprachen ihm sämtliche Rechte ab, zerrissen ihn in der Luft und drohten ihm alles Mögliche an.
«Wir schneiden ihm die Eier ab», höhnte Darcy.
«Wir brechen ihm den Wurfarm», schlug Susie vor.
Tyler hatte Wort gehalten und am Sonntag dreimal angerufen, und hätte Darcy mir nicht das Handy aus der Hand geschlagen und es quer durchs Zimmer gepfeffert, wäre ich beim dritten Mal fast rangegangen.
«Ich lasse nicht zu, dass du ihn auf Knien anbettelst zurückzukommen oder ihm sagst, dass du schon auf gepackten Koffern hockst!», sagte sie und schenkte uns beiden nach. Ich nickte, weil sie offenbar wusste, dass ich genau das tun würde: das letzte Fünkchen meiner Würde mit Stiefeln in den Schmutz treten – einen Mann anflehen, der den Entschluss, mich zu verlassen und damit höchstwahrscheinlich unsere Ehe zu beenden, in einer E-Mail verkündet hatte –, und deshalb durfte Darcy mein Rückgrat aufrecht halten, als ich selbst es nicht konnte.
Doch bis ich Montagmorgen aufwachte, hatte die Wut genug Zeit gehabt; ich war außer mir. Der giftige Same aus Gehässigkeit, der sich an jenem Tag auf dem Jahrmarkt in mir eingenistet hatte, wuchs und gedieh. Am Vorabend hatte ich Tyler eine sehr lange, ausführliche, vor Kraftausdrücken strotzende Nachricht auf der Mailbox hinterlassen, voller Wörter, von denen ich selbst nicht wusste, dass sie zu meinem Repertoire gehörten – « Du bist so ein gewaltiges Riesenarschloch, du blöder Schwanzlutscher, du mieses Schwein!» –, ein Ausbruch an Rage, die langsam vor sich hingeköchelt hatte. Und es fühlte sich, ehrlich gesagt, seltsam gut an, dieses glühende Wutknäuel mit aller Kraft raus in die Welt zu schleudern. Aber mich aufzuführen, dass mir die Ohren brannten, reichte noch nicht. Ich brauchte mehr: mehr Antworten, mehr Kontrolle, mehr Verständnis für das, was zur Hölle mit mir passierte. Mir wurde schnell klar, dass ich Ashley Simmons’ Hilfe brauchte, ob es mir gefiel oder nicht.
Sie kommt in das Diner an der Back Street geschlurft, als wäre sie gerade aus dem Bett gefallen, und damit sieht sie mir mit meinen verquollenen Augen und den seit Samstag nicht mehr gewaschenen Haaren ziemlich ähnlich. Darcy hat mich beschworen, wenigstens zu duschen, aber dieser winzige Akt der Rebellion – nein, meine Körperhygiene geht mir momentan am A… vorbei, und übrigens, l… mich, Tyler! – verschafft mir eine nicht greifbare Form von Befriedigung, und während ich den Kaffee in meiner Tasse schwenke, frage ich mich, wie lange ich es wohl schaffen würde, mich nicht zu baden. Welchen Rekord könnte ich aufstellen, um Tyler klarzumachen, dass er mich öffentlich an den Pranger gestellt hat, ihm das Ausmaß an Zerstörung klarzumachen, das er angerichtet hat?
In der Luft hängt der Geruch nach aufgewärmtem Fett, ein Nebeneffekt der triefenden Omeletts, die hier gebraten werden, und in Verbindung mit dem schwarzen Kaffee dreht sich mir bei dem Geruch der Magen um. Als würde mein Verdauungstrakt versuchen, mich von meiner Angst zu reinigen.
«Nimm’s mir nicht übel», sagt Ashley, nachdem sie sich eine Portion Pfannkuchen
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