Was im Leben zählt
Antworten. Ich habe dich um ein Treffen gebeten, weil du dafür sorgen musst, dass es aufhört.»
«Willst du das wirklich?», fragt sie.
«Ja!», zische ich nach kurzem Zögern. Ich hatte gedacht – letzte Woche irgendwann, nur eine winzig kurze Sekunde lang –, sie könnte doch toll sein, irgendwie skurril, diese wilde Achterbahnfahrt durch Zeit und Raum. Aber Tyler und sein Abgang haben mir bewiesen, dass dem nicht so ist, dass es niemals toll sein kann, dass es nur noch mehr Chaos und Zerstörung bringt, weil ich nichts weiter bin als eine hilflose Beobachterin, Zeugin einer Zukunft, an der ich nicht teilhaben will ! Die Visionen werden mir Tyler nicht zurückbringen, sie werden mich nicht schwanger machen, glücklich machen, mich nie zu irgendetwas anderem machen als zu einer leeren, gequälten Hülle. Ja, verdammt noch mal! Und ob ich will, dass es aufhört!
«Ich würde dir ja wirklich gerne helfen, aber wie ich dir bereits erklärt habe», sagt sie und knallt den Becher so heftig auf den Tisch, dass der Kaffee auf die Resopalplatte schwappt, «kann ich nichts machen. Du hast es selbst unter Kontrolle.»
«Habe ich nicht! Habe ich nicht!», sage ich. «Ich kann nicht sprechen. Ich kann mich nicht bewegen, ich kann nichts verändern! Ich habe versucht, das, was mit mir und Tyler passiert ist, abzuwenden, aber ich konnte es nicht. Ich kann es nicht!»
Ich schlage mit den Händen auf den Tisch und wische mit dem Ellbogen über den nächsten Kaffeefleck, diesmal aus meiner eigenen Tasse.
«Du siehst das völlig falsch», sagt sie und schiebt mir die Rechnung rüber. «Es ist tatsächlich eine Gabe. Hab noch ein bisschen Geduld mit dir. Irgendwann findest du einen Weg, es genauso zu sehen. Darauf wette ich.»
Eine Woche später, die glühend heiße Augustluft ist schwüler, als es irgendein Lebewesen jemals für möglich gehalten hätte, habe ich allen Widrigkeiten zum Trotz tatsächlich genug Selbstachtung aufgebracht, um unter die Dusche zu steigen, in eine fast faltenfreie Caprihose zu schlüpfen und zur Arbeit zu fahren. Darcy hat mir angeboten, mich zu begleiten, aber ich wimmle sie ab. Das Oliver’s hat sie und Murphy’s Law für einen weiteren Abend gebucht, und ich sage, sie soll den Tag lieber mit Dante verbringen und an ihrem Auftritt feilen. In Wahrheit möchte ich von der Tatsache ablenken, dass mir dieser plötzliche Rollenwechsel ein bisschen peinlich ist und dass ich mich mit der abrupten Kehrtwendung in meinem Lebensplan in ein absolutes Nervenbündel verwandelt habe. Ich war doch diejenige, die sich um anderer Leute Scherbenhaufen kümmert! Ich war doch immer diejenige, die stets eine praktikable Lösung zur Hand hatte.
Nein, habe ich Darcy heute Morgen versichert, ich komme auch ohne sie erhobenen Hauptes durch den Tag.
Was natürlich nicht stimmt. Es stimmt kein bisschen. Ich kriege meinen Kopf kaum vom Fußboden hoch, auf dem ich am liebsten meine Eingeweide verteilen würde, damit mein Arschloch von Ehemann eine noch miesere Meinung von sich selbst hat als ich. Aber leider Gottes habe ich eine Komiteebesprechung, die ich unmöglich verpassen darf, und bei Gott, wenn sogar die Kids es auf die Reihe kriegen, sich zwischen ihrem Erst- und ihrem Zweitferienjob ein paar Minuten freizuschaufeln, kann ich ja wohl die Gedanken an dieses Schwein beiseite schieben und mich zusammenreißen – wenn auch nur für zwanzig Minuten.
Ich schließe die Tür zu meinem Büro hinter mir, lehne mich dagegen und atme tief aus.
«Hallo!», ertönt es von meiner Couch. Ich mache vor Schreck einen Luftsprung und hätte mir ums Haar den Kleiderhaken in den Kopf gerammt.
«Oh Gott, CJ! Was tust du denn hier?»
«Sie hatten mich doch gebeten, ein paar Minuten vor dem Prom-Treffen vorbeizuschauen», sagt sie. «Sie haben mir letzte Woche eine Mail geschickt.» Letzte Woche , denke ich. Das ist ein ganzes Leben her. Woher soll ich wissen, was ich letzte Woche gesagt oder gedacht oder getan habe?
«Ich hatte dich gebeten vorbeizuschauen. Okay», sage ich, stelle meine Handtasche neben den Schreibtisch und setze mich zu ihr aufs Sofa. «Was wollten wir noch mal besprechen?»
«Woher soll ich das denn wissen?», sagt sie. «Sie sind schließlich die mit den Listen.»
«Tja, heute nicht!», sage ich ungehalten. Wieso kann sich zur Abwechslung nicht mal wer anders um die dämlichen Listen kümmern? «Also, sag du mir bitte, was wir besprechen müssen!» Mein Kinn zittert, und wir wissen beide, dass ich
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