Was im Leben zählt
nicht sein. Und das weißt du auch.»
Ich nicke erschöpft und fange an zu weinen.
«Na komm!» Er steht auf und streckt mir die Hand entgegen. «Wir stellen dich jetzt unter die Dusche, dann machen wir dir was zu essen, und dann machen wir beide einen Plan.»
Jede einzelne Zelle in mir will nur eines: zurück unter die Bettdecke, sich weiter mit Tequila betäuben. Bitte! Mehr Tequila! Ich kann sie förmlich von innen gegen mein Ohr trommeln hören. Doch die Hand meines Vaters bleibt ausgestreckt, also ergreife ich sie, stehe mühsam auf und schlurfe ins Bad.
«Ich weiß nicht, wer ich ohne dich bin» , hat Tyler zu mir gesagt. Tja, wahrscheinlich bleibt einem manchmal keine andere Wahl, als es herauszufinden.
Ein Monat vergeht, wie in einem endlosen Nebel. Ich wache auf, schleppe mich irgendwie durch den Tag, schaffe es irgendwie, nicht unter dem Gewicht meiner Erschöpfung zusammenzubrechen, unter der unglaublichen Traurigkeit, die sich wie ein schwarzer Schatten an meine Fersen geheftet hat, fahre nach Hause und falle ins Bett. Grease entwickelt sich besser, als ich es je zu hoffen gewagt hätte, die Vorbereitungen für die Prom Night laufen reibungslos, und trotzdem bringe ich nicht mal einen Funken Interesse dafür auf. Ich kann mich nicht davon überzeugen, dass irgendetwas hiervon wirklich zählt – was ziemlich witzig wäre, wenn es nicht so vollkommen unwitzig wäre, weil vorher nichts anderes gezählt hat. Vorher.
Tyler und ich haben genau zweimal miteinander gesprochen. Einmal als er mich bat, ihm ein paar Sachen zu schicken, und dann hat er noch einmal angerufen, um sich für das Carepaket zu bedanken und mir zu sagen, dass er Ende Oktober zurückkäme, um seine restlichen Sachen zu holen.
Es ist also endgültig. Er hat so beiläufig geklungen, als würde es sich nicht um den tiefsten Abgrund handeln, der sich jemals in sein Leben gefressen hat. Und ich habe ihm zugehört und mich gefragt, wie ein und dieselbe Handlung zwei Menschen so derart unterschiedlich berühren kann.
Trotzdem tat ich, worum er mich gebeten hatte. Ich machte seine Schranktüren sperrangelweit auf, während Darcy murrend auf meinem Bett lümmelte und den Vorschlag machte, mit seinen Klamotten im Garten ein Riesenlagerfeuer zu veranstalten, anstatt brav seiner Bitte nachzukommen. Behutsam holte ich seine Polohemden und Shorts aus dem Schrank, legte liebevoll ein paar Sweatshirts zusammen, rollte vorsichtig seine Hemden ein, damit sie nicht knitterten. Ich war immer noch wütend, das stand außer Frage, aber ich war so erschöpft, so furchtbar erschöpft, dass jeglicher Kampfeswille einfach verdunstet war.
Am Labor Day fängt das neue Schuljahr an, und was normalerweise meine absolute Lieblingszeit im ganzen Jahr ist – jene ersten Tage, ehe die Delinquenten mal wieder unter Beweis stellen, dass sie einfach nicht ihre große Klappen halten können, ehe die Chaoten über ihre eigenen Füße stolpern, um in letzter Sekunde doch noch ihre College-Bewerbungen oder Pläne zum Besuch eines Community College auf die Reihe zu bringen, wenn alles noch frisch und neu, hoffnungsvoll und voller Möglichkeiten scheint –, hält für mich nichts als Schwermut bereit.
«Ich weiß, dass so was normalerweise nicht aus meinem Mund kommt», sagt Susanna, während wir am dritten Schultag nachmittags die Kostüme durchgehen. «Aber du brauchst dringend bessere Laune.»
«Sagst ausgerechnet du!», sage ich und nestle an Wallys Für-Danny-Zuko-etwas-zu-elvismäßig-aber-wir-müssennehmen-was-wir-kriegen-können-Lederjacke rum. Ich frage mich, ob sich nicht doch etwas nicht ganz so Cabaretmäßiges auftreiben lässt, bis mir klarwird, dass er in meiner Vision genau diese Jacke trägt, ob es mir gefällt oder nicht. Ich lasse die Arme sinken und hocke mich auf den nächstbesten Klappstuhl.
«He, ich versuche es wenigstens!», antwortet sie, und ich nicke, weil es stimmt. Austin und sie treffen sich regelmäßig mit einem Mediator, um die Dinge so freundschaftlich wie möglich zu regeln, was nicht ganz einfach ist, wenn einer der Beteiligten noch immer völlig neben sich steht, weil der andere ihn zutiefst enttäuscht hat, aber sie hat recht; sie versucht es. «Tja, um ehrlich zu sein», fährt Susie fort, während sie Nadel und Faden nimmt, um den Saum von CJs unmöglich enger Kunstlederhose umzunähen, «manchmal frage ich mich schon, ob ich für immer allein bleibe.»
Ich muss an das dunkle Eckchen hinter der Bühne denken, am
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