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Was im Leben zählt

Was im Leben zählt

Titel: Was im Leben zählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allison Winn Scotch
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damit ich aus dem Haus komme, nicht auch noch zusehen muss, wie mein Noch-Ehemann unser gemeinsames Leben endgültig in Stücke reißt. Sie knallt die Autotür zu, eilt durch den kalten Regen zum Haus und nimmt mich wortlos in die Arme. Dann gehen wir Seite an Seite in Richtung Küche, um dort den Männern ins Gesicht zu sehen, die wir geliebt haben, seit wir Teenager waren und die uns beide betrogen haben, jeder auf seine Weise, die uns ungebeten unsere Freiheit zurückgegeben haben. Eine Freiheit, die wir ihnen, hätten wir die Wahl, wahrscheinlich mit Kusshand zu Füßen legen würden. Doch wir haben die Wahl nicht. Und deshalb wiegen wir das ungewollte Geschenk in unseren Händen und versuchen, ihm die Form zu geben, die zu unserem neuen Leben passt.
    «Wir gehen ins Kino», verkünde ich. Die beiden stehen da wie Teenager in Erwartung der Strafe dafür, dass sie heimlich das Auto des Vaters ausgeliehen haben. Für den Bruchteil einer Sekunde blitzt die Erinnerung in mir auf, dass ich Tyler vor dieser ganzen schrecklichen Sache irgendwann mal fürchterlich geliebt habe. Ich muss daran denken, dass er das Auto seines Vaters tatsächlich heimlich geliehen hat, ehe er den Führerschein besaß, noch ehe wir zusammen waren, damals, als wir alle Freunde waren und bevor ich mich Hals über Kopf in ihn verliebte; er holte mich an einem Frühsommerabend zu Hause ab, und wir sprangen alle in den See. Die Mücken waren schon da, und das Wasser hatte die Grenze zwischen kalt und erfrischend noch nicht überschritten, aber weil damals meine Mutter noch nicht krank war, weil mein Vater noch nicht zum Säufer geworden und mein Leben noch nicht zu Staub zerfallen war, kann ich mich in diesem Augenblick daran erinnern, wie sehr ich ihn geliebt habe – obwohl er nun fast alles in meinem Leben zerstört hat, was ich mir mühsam wieder aufgebaut hatte.
    Eine Sekunde lang werde ich schwach. «Ich habe deine Winter- und Sommersachen sortiert. Sie liegen auf der Kommode.» Ich versuche zu lächeln, aber mein Gesicht gehorcht mir nicht.
    Susanna wirft mir einen Blick zu, als würde sie mir am liebsten den Hals umdrehen, aber als ich gestern Abend nicht schlafen konnte, hat mir dieses Ritual Trost gespendet. Tyler und ich haben es zweimal im Jahr getan – Winter- und Sommerklamotten ausgetauscht –, und obwohl ich wusste, dass es albern war, zumal um zwei Uhr früh, redete ich mir tatsächlich ein, wenn Tyler seine Sommersachen hierlassen würde, käme er vielleicht wieder. Bei Tageslicht betrachtet, kommt mir der Gedanke nur noch kindisch vor.
    «Ach, danke», sagt Tyler ungerührt, ohne die Absicht hinter dieser freundlichen Geste zu ahnen. Er reibt sich immer noch den Kiefer.
    «Wir sind in ein paar Stunden zurück.» Ich greife nach meiner Handtasche. Mein Zorn ist verraucht. Ich wünsche mir nur, dass er mich anfleht, zu bleiben und ihm zu helfen, auch wenn das das Letzte wäre, was ich tun würde, wie ich Susie auf dem Weg zum Auto beteuere. Aber ich hätte trotzdem gerne, dass er fragt.
    «Was für Arschlöcher!», sagt Susie auf dem Weg zum Kino. «Unglaublich, dass wir diese Typen tatsächlich geheiratet haben!» Sie kann sich ein Kichern nicht verkneifen.
    «Ich habe ihm eine runtergehauen!», sage ich prustend. «Vorhin, in der Küche. Ich habe ihn geschlagen. Ich konnte den Anblick dieser blöden Fresse keine Sekunde mehr ertragen, ohne ihm so richtig ehrliche Schmerzen zu bereiten.»
    Susie muss noch mehr lachen und ich auch, bis wir uns irgendwann wieder beruhigen. Sie drückt meine Hand.
    «Tja», sagt sie. «Wenigstens kannst du jetzt sicher sein, dass du ein deutliches Zeichen gesetzt hast.»

    Als wir wieder nach Hause kommen, haben Tyler und Austin angefangen, den Umzugsanhänger zu beladen. Wir haben uns darauf geeinigt, dass er den Geländewagen mit nach Seattle nimmt – eines der wenigen logistischen Details, die wir tatsächlich besprochen haben – und ich mir von unseren Ersparnissen und seinem Tausend-Dollar-Bonus zur Vertragsunterzeichnung ein normales Auto kaufe. Seit feststeht, dass es keine Kindersitze geben wird, keinen Kinderwagen und keine Fahrten zur Krabbelgruppe, brauche ich den Stauraum nicht mehr, und unser Auto würde mich nur an diese Lücke erinnern – eine Lücke von so vielem. Ich bin froh, dass ich ihn loswerde.
    Während ich ihnen beim Kistenschleppen zusehe, während der Regen sie durchnässt und sie mit wippenden Baseballmützen den Weg hinunterlaufen, befällt mich ein heftiges

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