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Was ist Demokratie

Was ist Demokratie

Titel: Was ist Demokratie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Nolte
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Konferenz der vier Siegermächte vom 2. August 1945: Nach der Vernichtung aller nationalsozialistischen und militaristischen Strukturen sei «die Umgestaltung des deutschen politischen Lebens auf demokratischer Grundlage (…) vorzubereiten». In Erziehung und Bildung müsse eine «erfolgreiche Entwicklung der demokratischen Ideen möglich gemacht» werden. Zugleich begann das Potsdamer Protokoll bereits zu präzisieren, was denn, konkret und institutionell, mit Demokratie gemeint sein sollte: lokale Selbstverwaltung nach demokratischen Grundsätzen; demokratisch gewählte Vertreter von der Gemeinde- bis zur Landesverwaltung und die Zulassung demokratischer Parteien; eine freie Justiz auf der Grundlage der Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz. Schon in Potsdam war das kein Versprechen für eine fernere Zukunft, sondern sollte sogar ausdrücklich so schnell ins Werk gesetzt werden, wie es die Umstände erlaubten.
    Man kann also Folgendes festhalten: Die erste Mission der Alliierten war es nicht, den besiegten Deutschen die Demokratie zu schenken, sondern den Nationalsozialismus und seine Voraussetzungen mit Stumpf und Stiel auszurotten. Gerade weil das NS-Regime die Deutschen aus alliierter Sicht nicht als eine Art Fremdherrschaft überrumpelt hatte (wie sie es damals und noch lange danach selber gerne sahen), sondern in allen Fasern der Menschen und ihres Denkens steckte, gewann Demokratie aber augenblicklich eine entscheidende Bedeutung – als ein Gegengift sozusagen. Die amerikanische Vorstellung von der «re-education», von der Umerziehung der Deutschen zur Demokratie, ist hier das entscheidende Bindeglied. Sie war nicht nur allgemeine Metapher, sondern meinte ein konkretes Programm des «Lernens» von Demokratie und ziviler Gesinnung an den Schulen und Universitäten, durch die Presse und im öffentlichen Leben, nicht zuletzt durch das Engagement in Parteien, Gewerkschaften oder der Kommunalverwaltung. Dahinter stand kein «Masterplan»; die konkreten Schritte waren immer tastend und experimentierend. Lösungen fanden sich häufig in Konflikten: zwischen amerikanischen Stellen, zwischen den Alliierten, zunehmend auch mit den durch eben diese Politik wieder ermächtigten und zu Selbstbewusstsein ermunterten Deutschen. Dahinter stand aber durchaus ein Menschenbild (und eine Vorstellung von Demokratie), die an John Deweys demokratische Pädagogik erinnert: Demokratie ist demnach nicht eine abgeleitete Struktur, etwa der kapitalistischen Besitz- und Produktionsverhältnisse, sondern flüssig und gestaltbar; sie istzugleich mehr als ihre Institutionen – sie erfasst den Menschen ganz und muss es tun, um nicht bloß äußerlich zu bleiben und damit wiederum verwundbar zu sein. Zugleich war der Demokratiebegriff für die Alliierten vorerst elastisch genug, um sich auf ihn zu verständigen. So, wie er in den Potsdamer Protokollen Anfang August 1945 gefasst war, konnte auch Stalin ihm ohne weiteres zustimmen, denn eine bestimmte Staats- oder Regierungsform wie die repräsentativ-parlamentarische Demokratie war darin noch nicht enthalten.
    Mit manchen Schritten gingen die Sowjets für ihre Besatzungszone sogar bewusst voran: Schon am 10. Juni hatten sie die Gründung demokratischer politischer Parteien wieder zugelassen, und innerhalb von vier Wochen hatten sich nicht nur KPD und SPD wiedergegründet, sondern auch die CDU und die LPD, eine bürgerlich-liberale Partei, neu konstituiert. Im August zogen die Amerikaner nach, dann die Briten und – typisch am zögerlichsten – bis Jahresende 1945 auch die Franzosen. Das Jahr 1946 stand bereits im Zeichen von ersten Wahlen zu Volksvertretungen. Das begann mit Kommunalwahlen, dem Konzept der Dezentralisierung und des Aufbaus von unten folgend, doch schnell folgten Kreistage und Länderparlamente bzw. Verfassunggebende Versammlungen für die Länder in der amerikanischen Zone. Im Mai 1947 war diese Phase bereits weitgehend abgeschlossen: In allen drei westlichen Besatzungszonen arbeiteten also, gerade zwei Jahre nach der Kapitulation, demokratisch gewählte Parlamente von den Gemeinden bis hinauf in die Länder. Von einer langwierigen Übergangsphase oder einem umständlichen Zögern, gar einer Verzögerungstaktik kann also keine Rede sein. Im Gegenteil, die Schnelligkeit der Einrichtung demokratischer Strukturen in den Händen der Deutschen

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