Was ist Demokratie
Alliierten kaum mehr zum Zuge kamen. Jedenfalls liegt darin ein wichtiger Grund dafür, dass «Bonn» nicht «Weimar» wurde.
Dennoch waren es vor allem Weimarer Politiker, die in der Besatzungszeit, der Gründungs- und der Frühphase der Bundesrepublik ihr demokratisches Profil bestimmten. Bei vielen von ihnen reichte die politische Karriere, mindestens aber die politische Sozialisation sogar bis in die Zeit des Kaiserreichs zurück. Dafür steht Theodor Heuss (geb. 1884), der erste Bundespräsident, und erst recht Konrad Adenauer (geb. 1876), geschickter Organisator der West-CDU, Vorsitzender des Parlamentarischen Rates und Bundeskanzler von 1949 bis 1963. Abgesehen von den besonderen Talenten Einzelner sprachen mehrere Gründe für eine gewichtige Rolle der Ãlteren: Sie brachten Netzwerke und taktische Erfahrungen mit; sie waren als Generation weniger in den Sog des Nationalsozialismus geraten als die Jüngeren, besonders die Jahrgänge zwischen 1900 und 1910, aus denen sich die jungen Eiferer und Ideologen des «Dritten Reiches» rekrutierten â die «Generation des Unbedingten» (Michael Wildt). SchlieÃlich waren nicht so viele von ihnen, weil sie 1939 schon relativ alt waren, im Krieg gefallen.
Aber im Ãbrigen war ihre politische Herkunft ebenso unterschiedlich wie ihr Lebensweg während der NS-Diktatur. Manche hatten den gröÃten Teil dieser Zeit in Gefängnissen und Konzentrationslagern verbracht wie Kurt Schumacher, unbestrittene Autorität der Nachkriegs-SPD im Westen bis zu seinem Tod 1952. Andere kehrten aus dem Exil im Ausland zurück wie Ernst Reuter, der von 1935 bis 1946 in der Türkei Zuflucht gefunden hatte. Wieder andere wie Adenauer hatten sich nach der Verdrängung aus ihren Ãmtern relativ unbehelligt ins Privatlebenzurückziehen können. Ganz Junge, die politisch noch unbeschriebene Blätter waren, taten sich in den späten 1940er Jahren noch kaum hervor und konnten es auch nicht. Denn die Männer, die den Krieg überlebt hatten, mussten nach der Rückkehr aus der Gefangenschaft oft erst ihre Ausbildung, ihr Studium nachholen. Franz Josef Strauà (geb. 1915), der spätere CSU-Vorsitzende, wurde immerhin schon 1946 Landrat des Kreises Schongau. Die ganz Jungen engagierten sich zunächst eher publizistisch, im geschriebenen Appell an eine keimende demokratische Ãffentlichkeit wie Rudolf Augstein (geb. 1923), der mit gerade mal 23 Jahren Herausgeber und Chefredakteur des Nachrichtenmagazins «Der Spiegel» wurde. Ãberhaupt entwickelte sich die Presse schon seit 1946 zu einem wichtigen Vorfeld der Demokratie â unter Lizenz, Kontrolle und Anleitung der westlichen Alliierten, doch mit markanten deutschen Federn. In kulturpolitischen Monatsschriften wie den «Frankfurter Heften» Eugen Kogons und Walter Dirksâ wurde für ein gebildetes Publikum um die Erklärung des Nationalsozialismus und den richtigen Weg in eine demokratische Zukunft gestritten.
Die Neigung ging, wie auch in der von Dirks und Kogon verfochtenen Synthese von Arbeiterbewegung und Christentum, häufig zu einem moralisch aufgeladenen, unorthodoxen Sozialismus, zumal in den frühen Konzepten für die wirtschaftliche Neuordnung und bis in den linken Flügel der CDU hinein, der Anfang 1947 im «Ahlener Programm» den Kapitalismus verwarf. Eine markante Alternative zur repräsentativen Demokratie bildete sich, was die politischen Institutionen angeht, aber nicht heraus â im Unterschied zur Rätebewegung nach dem Ersten Weltkrieg; und das war nicht nur der Steuerung der amerikanischen Besatzungspolitik oder dem beginnenden «Kalten Krieg» zu verdanken. Die Erfahrungen der Sozialdemokratie zwischen Erstem Weltkrieg und NS-Diktatur spielten eine ganz entscheidende Rolle und ebenso, dass die zeitweise Euphorie gründlich zerstoben war, mit der nicht nur Kommunisten bis in die 1930er Jahre die Sowjetunion betrachtet hatten. Die in CDU und CSU organisierte, zum ersten Mal überkonfessionelle christliche Demokratie setzte die demokratischen und sozialen Traditionen des Weimarer Zentrums fort und band gleichzeitig groÃe Teile des bisher überwiegend demokratiefeindlichen bürgerlichen Protestantismus ein.
Brachten die Amerikaner also die Demokratie nach Westdeutschland? Die Antwort muss kompliziert ausfallen. Blickt man auf die Anteileder vier Alliierten, kommt den Amerikanern mit Recht jenes
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