Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was ist Demokratie

Was ist Demokratie

Titel: Was ist Demokratie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Nolte
Vom Netzwerk:
nicht die spätere Zahl der Länder einschließlich West-Berlins. Das Saarland, unter französischer Verwaltung, war nicht dabei. Dafür existierten im späteren Baden-Württemberg noch drei Länder. Vertreter West-Berlins nahmen bis zum Schluss nur mit beratender Stimme teil.) Dieser Entwurf diente dem Parlamentarischen Rat als Grundlage, der sich am 1.September 1948 konstituierte – mit dem Sitz in der Pädagogischen Akademie am Rheinufer in Bonn, dem späteren Bundeshaus. So neigte sich zugleich die Waage in der Hauptstadtfrage ganz allmählich zugunsten der eher provinziellen Residenz- und Universitätsstadt, obwohl damals Frankfurt am Main noch eindeutiger Favorit war.
    Dem Parlamentarischen Rat gehörten 65 Vertreter an, von den elf Landtagen nach der Stärke der in ihnen vertretenen Parteien gewählt. So handelte es sich doch, wenngleich indirekt legitimiert, um eine Art Konstituante im Kleinen. Das waren die bis heute so oft apostrophierten «Väter und Mütter des Grundgesetzes», denn vier Frauen gehörten dem Rat an. CDU/CSU und SPD schickten jeweils 27 Vertreter – so deutete sich bereits ein Grundmuster zweier etwa gleich starker Volksparteien an, das lange Zeit die Geschichte der Bundesrepublik bestimmte. Konrad Adenauer fungierte als Vorsitzender des Parlamentarischen Rates; sein sozialdemokratischer Gegenspieler CarloSchmid, ein brillanter Verfassungsrechtler, war Vorsitzender des wichtigen Hauptausschusses.
    Die Parität zwang zum Kompromiss, und in der Tat hielten sich die ganz großen Streitfragen in Grenzen. Die SPD dachte insgesamt etwas mehr in Kontinuität zur Weimarer Republik, zuerst auch in der Frage eines stärkeren Präsidenten als Staatsoberhaupt, und zudem mehr zentralistisch; die Unionsparteien betonten den Föderalismus, je weiter südlich ihre Herkunft, desto mehr. Bei der Diskussion einer zweiten Kammer setzte sich das Bundesratsprinzip (mit seiner langen Vorgeschichte) gegenüber dem amerikanischen Senatsprinzip durch. Die schwerste Geburtskrise des Grundgesetzes kam im März und April 1949, als die drei Alliierten, besonders General Lucius D. Clay für die Amerikaner, Bedenken gegenüber dem fast fertigen Entwurf anmeldeten. Am 12. Mai schließlich genehmigten die Militärgouverneure das Grundgesetz, unter den Vorbehalten des am selben Tag verkündeten Besatzungsstatuts. Das war die Erinnerung daran, dass dem neuen Staat die volle Souveränität fehlte – die Bundesrepublik stand noch sechs Jahre, bis zu den Pariser Verträgen vom 5. Mai 1955, unter der Aufsicht der Alliierten, und bis zur Wiedervereinigung unter ihren «Vorbehaltsrechten». Aber ein «größtmögliches Maß an Selbstregierung» billigten sie dem neuen Weststaat zu, im Wissen darum, dass Demokratie wesentlich auf der äußeren Selbstbestimmung eines Volkes beruht.
    Der föderalen Legitimation des Parlamentarischen Rates entsprechend, stimmten die Landtage um den 20. Mai dem Grundgesetz zu; nur der bayerische nicht, für dessen Mehrheit es nicht föderal genug war. Am 23.Mai 1949 schließlich wurde das Grundgesetz in der abschließenden Sitzung des Rates verkündet. Das Räderwerk der neuen Demokratie begann zu laufen. Am 14. August 1949 fand die erste Bundestagswahl statt; am 12. September wählte die Bundesversammlung Theodor Heuss (FDP) gegen Kurt Schumacher zum ersten Bundespräsidenten; drei Tage später gelangte Konrad Adenauer an sein politisches Ziel, als der Bundestag ihn mit der knappsten Mehrheit von nur einer Stimme, erneut gegen Schumacher, zum Bundeskanzler wählte.
    Wie aber sind die Prinzipien der Demokratie im Grundgesetz ausgedrückt? Eine Besonderheit dieser Verfassung ist es, dass sie nicht mit den «technischen» Regelungen zu den Verfassungsorganen beginnt, sondern mit dem Teil über die Grundrechte: Sie sind das Wichtigste, angefangen mit der Würde des Menschen, ihrer Unantastbarkeit und derstaatlichen Verpflichtung zu ihrem Schutz. Darin spiegelt sich indirekt die Erfahrung der nationalsozialistischen Diktatur, von der übrigens explizit an keiner Stelle des Grundgesetzes die Rede ist, auch nicht in der Präambel. Es wäre jedenfalls vorstellbar gewesen, diese neue Ordnung in der Situation von 1949 unter ausdrücklichem Bezug auf die frühere Zerstörung der Demokratie, auf Diktatur und Völkermord, ins Werk zu

Weitere Kostenlose Bücher