Was ist Demokratie
verschiedenen Formen des gewaltlosen Protests stieÃen bei der konservativen Mehrheit der WeiÃen nicht nur auf Unverständnis, sondern auch auf massiven und gewalthaften Widerstand. Die Gewalt ging oft von dem rassistischen Geheimbund des «Ku Klux Klan» aus, konnte sich aber lange Zeit auch auf ein informelles Einverständnis der weiÃen Eliten in einer Stadt oder Landgemeinde stützen. Das erfuhren die «Freedom Riders»: junge weiÃe und schwarze Bürgerrechtler aus dem Norden, die die Rassentrennung in den Ãberlandbussen von «Greyhound» und «Trailways» auf den Prüfstand stellen wollten, denn im Verkehr über Staatsgrenzen hinweg galt das schon liberalere Bundesrecht. Immer wieder wurden ihre Busse attackiert, die Insassen brutal zusammengeschlagen und obendrein verhaftet. In Anniston (Alabama) warf ein weiÃer Mob am 14. Mai 1961 einen Brandsatz auf den Bus und versuchte die Insassen am Entkommen aus den Flammen zu hindern. WeiÃe Aktivisten aus dem Norden engagierten sich auch bei der Wählerregistrierung, denn der Entzug des Wahlrechts der Afro-Amerikaner war neben der Rassentrennung die flagranteste Verletzung der Demokratie in den Südstaaten. Erneut trafen sie auf erbitterten Widerstand; WeiÃe und Schwarze fielen heimtückischen Lynchmorden zum Opfer.
Eine nationale Massenbewegung, die sich nicht mehr auf den Süden begrenzen lieÃ, wurde die Bürgerrechtsbewegung spätestens mit dem «Marsch auf Washington» am 28. August 1963. Bei dieser Demonstration von Hunderttausenden «für Arbeit und Freiheit» hielt Martin Luther King seine berühmte Rede mit dem Leitmotiv des Traums vonFreiheit und Gleichheit: «I have a dream». Damit lag der Akzent noch einmal sehr klar auf der Inklusion der Afro-Amerikaner in die groÃe demokratische Gemeinschaft Amerikas, auf dem gleichen Zugang zu den Rechten und Chancen, den die WeiÃen längst selbstverständlich besaÃen. Der politische Druck auf die Bundesregierung erhöhte sich â mit dem Ergebnis zweier grundlegender Gesetze der Jahre 1964 und 1965, die den Schwarzen die vollen Bürgerrechte und insbesondere das politische Wahlrecht garantierten. Formal war die schwer verletzte Demokratie der USA damit wieder hergestellt, aber um die Durchsetzung der Bundesgesetze wurde noch lange gestritten, von anhaltender Diskriminierung und Rassismus im Alltag ganz zu schweigen. Der Widerstand der WeiÃen hatte einen Teil der Bewegung, zumal Jüngere und Afro-Amerikaner im Norden, desillusioniert und radikalisiert: Konnte Integration ein sinnvolles Ziel sein, und sollte man unter allen Umständen auf Gewalt verzichten, wenn einem Gewalt entgegenschlug?
Die Unzufriedenheit brach in Rassenunruhen aus, die 1965 Los Angeles und 1967 Detroit erschütterten. Neue Führer wie Stokely Carmichael und Malcolm X sprachen von «Black Power», manchmal sogar von einer Ãberlegenheit der schwarzen Rasse; als kulturelle Orientierungsmarke diente nicht mehr das weiÃe, christliche Mainstream-Amerika wie für den im April 1968 ermordeten Martin Luther King, sondern Afrika und der Islam. Zwar gewann auf lange Sicht das Inklusionsziel wieder die Oberhand, aber die bedingungslose Gleichheit als Prinzip der Demokratie war um 1970 erschüttert â etwa zur gleichen Zeit, als sich die neue Frauenbewegung von der Leitvorstellung einer Angleichung an die Männer verabschiedete. Eine demokratische Gesellschaft konnte sich gerade in der Anerkennung von Differenz erweisen. Das meinte nicht nur individuelle Verschiedenheit (wie in der klassischen liberalen Theorie), sondern die Identität von Gruppen nach kultureller Tradition und Selbstverständnis. Ob der friedliche Zusammenhalt dennoch einer Verpflichtung auf übergeordnete, gemeinsame Werte bedarf oder allein durch die Anerkennung von Verfahrensregeln und Institutionen sichergestellt werden kann, darüber wird bis heute gestritten.
An der Radikalisierung des Protestes in den USA hatten Studenten einen wichtigen Anteil, innerhalb der Bürgerrechtsbewegung und darüber hinaus. Das «Student Nonviolent Coordinating Committee» (SNCC), 1960 gegründet, begann in der Sit-In-Bewegung, protestierte seit der Mitte der 60er Jahre auch gegen den Vietnamkrieg und ersetzte1969 das «Nonviolent» im eigenen Namen durch «National», denn über die Gewaltfreiheit war man sich nicht mehr einig. Im
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