Was ist Demokratie
frühen 50er Jahre, also in die unmittelbare Nachkriegszeit, zurück. Der gewaltlose Widerstand Mahatma Gandhis in der indischen Unabhängigkeitsbewegung inspirierte antikolonialen und antirassistischen Protest überall auf der Welt. In den USA schwoll die Bürgerrechtsbewegung der Afro-Amerikaner gegen Rassentrennung und Entrechtung in den Südstaaten seit 1954 mächtig an. Sie bestimmte ein Jahrzehnt lang, in bitteren und nicht immer gewaltfreien Konflikten, die innenpolitischen Auseinandersetzungen und wurde zugleich zum Brutkasten demokratischer Innovationen, die von Amerika aus einen globalen Siegeszug antraten. Um die Jahrhundertwende hatten die im Bürgerkrieg unterlegenen Südstaaten das Rad des Fortschritts zurückgedreht und den ehemaligen Sklaven und ihren Nachkommen den Status als gleiche, freieund politisch berechtigte Bürger wieder entzogen. In den folgenden Jahrzehnten waren Millionen Afro-Amerikaner auf der Suche nach Freiheit und sozialen Aufstiegschancen in die Städte des Nordens gezogen, nach New York, Detroit oder Chicago. Sie entkamen damit nicht jeder Diskriminierung, aber doch der rigiden Rassentrennung, welche die weiÃe Mehrheit im Süden in fast allen Bereichen des Alltags durchgesetzt hatte.
Die wichtigste Interessenorganisation der Schwarzen, die 1909 gegründete «National Association for the Advancement of Colored People» (NAACP), setzte auf den Sieg von Klagen gegen die Ungerechtigkeit vor Gerichten. Am 17.Mai 1954 konnte sie jubeln, als der Supreme Court seine Entscheidung im Fall
Brown v. Board of Education of Topeka, Kansas
fällte. Es ging um die Zulassung schwarzer Schüler an die besser ausgestatteten weiÃen Schulen und überhaupt um eine Ãberwindung der Rassentrennung im Bildungssystem. In den Anfangsjahren der amerikanischen Apartheid hatte das oberste Bundesgericht dieses System mit seiner Grundsatzentscheidung von 1896 gutgeheiÃen, nach der diese Trennung das Gleichheitsprinzip nicht verletzte. Jetzt stellten die Richter in einer bald berühmt werdenden Formulierung fest, die Rassentrennung sei prinzipiell ungleich, «inherently unequal», schon weil sie in den Betroffenen ein Gefühl der eigenen Minderwertigkeit erzeuge. Das sei umso weniger akzeptabel, als Erziehung und Bildung die Fundamente demokratischer Staatsbürgerschaft legten. Mit einer demokratischen Gesellschaft und «good citizenship» vertrügen sich nach Hautfarbe getrennte Schulen nicht. Damit war ein Grundmotiv der bürgerrechtlichen Demokratie vorgegeben: Freiheit und Demokratie konnten ohne den Einschluss aller in eine gleiche Bürgergemeinschaft nicht existieren â das Prinzip der «Inklusion».
Das Aufsehen erregende Urteil von 1954 führte keineswegs zu einer schnellen Aufhebung der Rassentrennung an Schulen und Universitäten. Noch im Herbst 1962 konnte James Meredith nur gegen den Widerstand der Universität von Mississippi dort sein Studium aufnehmen, geschützt von bewaffneter Bundespolizei. Unterdessen hatte der Widerstand andere Schauplätze und Formen gefunden. Am 1. Dezember 1955 weigerte sich Rosa Parks in Montgomery, der Hauptstadt Alabamas, ihren Sitzplatz in der «weiÃen» Sektion eines Busses aufzugeben, und wurde verhaftet. Darauf organisierte die schwarze Gemeinschaft der Stadt einen Boykott der städtischen Buslinien, nahm ein Jahr lang weite FuÃmärsche zu Arbeit und Einkauf auf sich oder organisierteFahrgemeinschaften. Bei diesem Protest trat der junge Baptistenpastor Martin Luther King, damals gerade 26 Jahre alt, als Organisator und charismatischer Mutmacher hervor und erlangte seit 1957 als erster Präsident der «Southern Christian Leadership Conference» (SCLC), einer der wichtigsten Bürgerrechtsorganisationen der folgenden zehn Jahre, nationale Prominenz. Eine wieder andere Form des gewaltfreien Widerstands erlebte am 1. Februar 1960 ihren Durchbruch, obwohl sie schon früher gelegentlich erprobt worden war: der «Sit-In». Vier schwarze Studenten setzten sich auf die Barhocker an einer Essenstheke im «Woolworth» von Greensboro (North Carolina) und wollten bedient werden â es war aber die Theke «nur für WeiÃe». Sie weigerten sich, ihre Plätze zu verlassen, kamen in den nächsten Tagen wieder; bald fanden sich Nachahmer in anderen Geschäften und Restaurants und in anderen Städten des amerikanischen Südens.
Die
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