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Was ist Demokratie

Was ist Demokratie

Titel: Was ist Demokratie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Nolte
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des Stadtfürsten, des Dogen, durch verschiedene Verfassungsorgane eingehegt; eine kleine Zahl adliger Familien beschickte diese Gremien und bestimmte fortan die Geschicke der Stadt. Wie auch anderswo in Italien und in Mitteleuropa, ging der Trend in der Frühen Neuzeit keineswegs zu sozialer Öffnung und Demokratisierung, sondern im Gegenteil zu Abschließung und Exklusivität der adligen (oder anderswo: bürgerlichen, patrizischen) Führungsschichten.
    Eine ganz andere Adelsrepublik bestand von 1569 bis zum Ende des 18. Jahrhunderts in Polen. Die königliche Dynastie der Jagiellonenstarb aus; die Ständeversammlung führte eine Wahlmonarchie ein, in der ein König gewissermaßen als ihr Beauftragter handelte. In der Ständeversammlung, die schon damals «Sejm» hieß, wie bis heute das polnische Parlament, dominierte der landsässige Adel. Unter dem Druck Preußens und Russlands zerbrach die polnisch-litauische Adelsrepublik; Polen wurde in den «Teilungen» der Flügelmächte bis 1918 zerschlagen. Kurz zuvor erhielt das Land aber am 3.Mai 1791 die erste moderne, liberale Verfassung Europas – noch vor Frankreich, doch schon unter dem Einfluss der Französischen Revolution. Das ist ein gutes Beispiel für die komplizierte Mischung aus adlig-ständischer Kontinuität und revolutionärem Neuanfang beim Übergang aus den alten Republiken in die neuen des 19. Jahrhunderts.
    Etwa zur selben Zeit wie die polnische entstand, in einer ganz anderen Konstellation, eine weitere europäische «Flächen»-Republik: die Republik der Vereinigten Niederlande. Die nördlichen Provinzen der damals spanischen Niederlande revoltierten nämlich gegen die Spanier und deren neuen König Philipp II. Sie schlossen sich 1579 in der «Utrechter Union» zusammen und erklärten zwei Jahre später als «Republik der sieben vereinigten Niederlande» ihre Unabhängigkeit von dem spanischen Habsburgerreich. Die niederländische Revolte war insofern die erste Unabhängigkeitsrevolution der Neuzeit, ein früher Vorläufer der Amerikanischen Revolution, und ein Ausdruck des Widerstands gegen die strafferen monarchisch-imperialen Ansprüche in den Anfängen der modernen Staatsbildung. Zugleich trug sie, im Zeitalter der Reformation, Züge eines religiösen Bürgerkrieges zwischen (spanischen) Katholiken und Protestanten, besonders den reformorientierten und bilderstürmerischen Calvinisten. Die oberste Gewalt der neuen Republik lag fortan bei den «Generalstaaten», der allgemeinen Ständeversammlung der sieben Provinzen. Sie wählten Wilhelm von Oranien als Statthalter, aber die wirkliche Macht übten der Adel und die städtischen Führungsschichten der großen Handels- und Gewerbezentren wie Amsterdam aus. Denn im 17. Jahrhundert, im «Goldenen Zeitalter», blühte die Republik wirtschaftlich durch Überseehandel und koloniale Expansion sowie kulturell mit Künstlern wie Rembrandt und Rubens. Nach einer Phase des Niedergangs im 18. Jahrhundert schlug die «Batavische Republik», unter französischer Herrschaft, für ein gutes Jahrzehnt (1795–1806) eine Brücke zwischen den alten republikanischen Traditionen und der modernen Revolution. Seit 1815 waren die Niederlande wieder eine Monarchie – unter diesem Vorzeichen,nicht unter dem der Republik, begann der langsame Prozess der Demokratisierung.
    Der polnische Sejm, die niederländischen Generalstände, auch das englische Parlament in Revolution und Bürgerkrieg im 17.Jahrhundert: Immer wieder stößt man bei der Suche nach frühen europäischen Wurzeln der Demokratie also auf ständische Versammlungen, die sich von der Monarchie zu emanzipieren suchten. Eine ähnliche Bewegung gab es auch in Mitteleuropa, auf dem Gebiet des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation, wenngleich sie nicht in eine ständisch-republikanische Revolution mündete – nicht zuletzt wohl deshalb, weil das Reich keine Ambitionen einer absoluten Monarchie verfolgte, sondern sich auf ein Geflecht moderierender, ausgleichender, Konflikte regulierender Institutionen stützte. In manchen Territorien des Reiches jedoch erlebten die Stände im 18. Jahrhundert eine Renaissance, besonders in seinen südwestlichen Kerngebieten. Der Adel und das Bürgertum (wo es, wie in Württemberg, in den Ständen vertreten war) wehrten

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