Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was ist Demokratie

Was ist Demokratie

Titel: Was ist Demokratie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Nolte
Vom Netzwerk:
sich gegen fürstliche Ansprüche auf Alleinherrschaft. Immer wieder wurde das Recht der Stände auf Steuerbewilligung oder Kreditgewährung zum wirkungsvollen Hebel für die ständische Opposition, zumal angesichts eines steigenden Finanzbedarfs der Staaten für Bürokratie, Militär und «merkantilistische» Wirtschaftsförderung. Zwar führt von hier keine gerade Linie zu den ersten modernen deutschen Parlamenten des 19. Jahrhunderts in den süddeutschen Staaten, aber Kontinuitäten der antimonarchischen «Volks»-Vertretung gab es doch, in der politischen Kultur und im Bewusstsein der frühliberalen Zeitgenossen.
    Die Vielfalt spätmittelalterlicher und frühneuzeitlicher Vorformen von Demokratie lässt sich, natürlich vereinfacht, in fünf wesentlichen Strukturelementen ordnen: erstens städtische Herrschaft, zweitens Gemeindebildung – beides gehört zusammen als die kommunale Wurzel der Demokratie. Sodann drittens Ständeversammlungen und viertens Republiken – wiederum ist der Zusammenhang mehrfach deutlich geworden, weil Republiken sich, jenseits der Stadtrepubliken, auf ständische Vertretungen maßgeblich stützten. Als fünftes Element schließlich formten Bürgerideologien in unzähligen Varianten das Freiheitsbewusstsein, wirkten als Katalysator von Protest und als kulturelle Grundlage partizipatorischer Verfassung: von der städtischen Bürgerfreiheit des Spätmittelalters bis zur Suche nach dem tugendhaften, politisch aktiven Bürger im «Klassischen Republikanismus» der Frühen Neuzeit. Ob man darin demokratische Elemente einer im Übrigen ganz anderen, vergangenenpolitisch-sozialen Welt sieht oder Vor- und Frühformen moderner Demokratie bis in die Gegenwart – darüber lässt sich lange diskutieren. Manche älteren Formen von Partizipation brachen im Laufe der Jahrhunderte wieder ab, oder sie erstarrten – wie häufig die städtische Herrschaft – zu Elitenherrschaft und Hierarchie.
    Auch hat sich der Blick der Geschichtsschreibung und einer weiteren Öffentlichkeit auf diese Vorläufer der Demokratie immer wieder gewandelt. Im 19. Jahrhundert sahen liberale Bürger besonders in Deutschland die kommunale Freiheit des Mittelalters als Wegbereiter der modernen kommunalen Selbstverwaltung. Damit wurde aber nicht nur die Vergangenheit idealisiert, sondern auch die lokale Demokratie als eine Art Ersatzraum beschworen, wo man der «richtigen» Demokratie als einer vermeintlich westlichen Erfindung skeptisch gegenüberstand. In der neueren Historiographie machte sich nach 1945 deshalb zunächst eine Gegenbewegung geltend, die zur Geschichte der Vormoderne radikal auf Distanz ging und die feudalen, ständischen, oligarchischen, sozial ungleichen Fesseln ihrer politischen Ordnung betonte. Aber gerade die Kritik an Demokratiefeindschaft und Untertanengeist der Deutschen konnte ältere Vorbilder auch wieder hochleben lassen. Peter Blickles «Kommunalismus» verdankt sich nicht nur neuen Quellenfunden, sondern einer höchst gegenwärtigen politischen Pädagogik der Demokratie: der Suche nach alternativen Potentialen bürgerlicher Partizipation, nach Widerstandsgeist und «grass roots»-Beteiligung in der deutschen Geschichte. Darin spiegelt sich unverkennbar der antistaatliche, der basisdemokratische und zivilgesellschaftliche Aufbruch der 1970er und 1980er Jahre. Auch auf diese Weise bleiben ferne Epochen höchst aktuell mit der Gegenwart und Zukunft von Demokratie verbunden.
7 Wilhelm Tell im 19. Jahrhundert:
Die Schweiz als Stammland der Demokratie?
    Wenn von sehr alten und tief verwurzelten Traditionen der Demokratie die Rede ist, geht es nicht selten um die Schweiz. Das kleine Land in der alpinen Mitte Europas hat seine demokratische Identität und Geschichte geradezu zu einem Markenzeichen entwickelt. Die demokratische Verfassung gehört zur Grundausstattung des nationalen Stolzes und Zusammengehörigkeitsgefühls des offiziell viersprachigen Bundesstaates,wirkt aber auch nach außen als Vorbild und Sympathieträger. Das erste verbindet die Schweiz mit den Vereinigten Staaten von Amerika, das zweite unterscheidet beide Nationen scharf, jedenfalls seit dem späten 20.Jahrhundert. Während die imperiale Demokratie der USA, im Verein mit den inneren Spannungen des Landes, in großen Teilen der Welt auf zunehmende Skepsis

Weitere Kostenlose Bücher