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Was ist Demokratie

Was ist Demokratie

Titel: Was ist Demokratie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Nolte
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heute gültige Festschreibung der Rechte des Parlaments in der «Bill of Rights» von 1689, dem Abschluss der «Glorious Revolution». Jenseits des Parlaments aber erfasste der Konflikt breite Bevölkerungsschichten, vor allem über den Hebel des religiösen Dissenses, hinter dem wiederum soziale Ängste aufschienen angesichts der beginnenden kommerziell-kapitalistischen Transformation des Landes. In diesem Strudel formierten sich radikale protestantische Gruppen, außerhalb der offiziellen,der anglikanischen Reformation Englands. In Revolution und Bürgerkrieg gewannen die Puritaner (also die Anhänger der «reinen» Lehre) Zulauf; manche radikalisierten sich weiter in ihrem religiösen, politischen und sozialen Programm und versuchten sich gegenseitig zu überbieten. Auf die «Levellers», also die Gleichmacher, folgten die «True Levellers», auch «Diggers» genannt, die Hierarchien ebenso grundsätzlich ablehnten wie das Privateigentum an Land. Man hat in ihnen frühe bäuerliche Kommunisten, in letzter Zeit auch Pioniere einer ökologischen Lebensform gesehen. Darin liegt oft zu viel heutige Projektion in eine Zeit, die weder Karl Marx noch die Grünen kennen konnte. Aber diese religiös-sozialen Gruppierungen waren doch eine Art Prototyp radikal-egalitärer Bewegungen, die seitdem und bis in das 20. Jahrhundert immer wieder die Dynamik von Revolutionen vorantrieben und dabei besonders die demokratische Gleichheit (weniger die Freiheit) anmahnten.
    Dennoch war die Englische Revolution keine «demokratische» Revolution. Sie erbrachte jedoch (ohne dass das den Zeitgenossen klar war!) wichtige Vorleistungen für die moderne Demokratie im Allgemeinen, für den späteren Weg der britischen Demokratisierung im Besonderen. Bauern und städtische Mittelschichten konnten sich radikalisieren, weil die ganze Gesellschaft «politischer» wurde. Flugschriften verbreiteten sich und wurden lebhaft diskutiert; jenseits des Parlaments etablierte sich eine politische Öffentlichkeit, zu der prinzipiell die ganze Nation gehörte. Im Parlament bildeten sich gegnerische Gruppierungen: die königstreuen «Cavaliers» und die reformerischen «Roundheads», die beide ihre Anhängerschaft auch in der Bevölkerung (und in den Truppen des Bürgerkrieges!) fanden. Das war eine wichtige Wurzel moderner Parteien. Auch wenn England bis heute keine geschriebene Verfassung hat, verbriefte die «Bill of Rights», in Anknüpfung an die Magna Charta von 1215, doch zentrale Parlaments- und Freiheitsrechte und wurde damit zum Modell späterer Verfassungen und Grundrechtserklärungen, vor allem in der Amerikanischen und Französischen Revolution.
    Und nicht zuletzt zeigte die Englische Revolution der absoluten Monarchie, der Alleinherrschaft, dem Gottesgnadentum politischer Ordnung klare Grenzen auf. Im englischen Verständnis des 17. und 18. Jahrhunderts war das Unterhaus des Parlaments sogar der «demokratische» Teil der Herrschaft, während das Oberhaus die aristokratische und der König die monarchische Komponente bildete. Eine solche«gemischte Verfassung» erschien vielen als ideal, die sich eine reine Demokratie nicht vorstellen konnten. Aber die Gewichte verschoben sich doch mehr und mehr zugunsten des Unterhauses, der «Commons». Der schon von den Zeitgenossen als dramatisch empfundene Akt der Hinrichtung Charles I. im Januar 1649 etablierte sogar für elf Jahre eine Republik – aber keine Demokratie! England ging den Weg der gemischten Verfassung, des Ausbaus der Parlamentsrechte, der allmählichen Demokratisierung weiter und nahm an den späteren europäischen Revolutionen nicht mehr teil. Einen anderen Weg, den der Geburt der Demokratie aus der Republik, nahmen dagegen die britischen Kolonien Nordamerikas, die in der Mitte des 17.Jahrhunderts noch ganz am Anfang standen.
3 Unabhängigkeit, Republik und Verfassung:
Die Amerikanische Revolution
    Als britische Siedler seit dem frühen 17. Jahrhundert die ersten dauerhaften Kolonien an der nordamerikanischen Ostküste gründeten, von Boston bis nach Virginia, brachten sie die Demokratie keineswegs auf den Segelschiffen, wie der berühmten «Mayflower» der Pilgerväter, mit. Sie bauten auch nicht automatisch demokratische Gemeinschaften in den Dörfern und Städten, nur weil sie sich weit ab vom englischen König und

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