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Was ist Demokratie

Was ist Demokratie

Titel: Was ist Demokratie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Nolte
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einmal für alle weißen Männer. Und doch war damit ein Anspruch formuliert, auf den sich auch die Ausgeschlossenen berufen konnten. Wenn die früheren Kolonien nun «freie und unabhängige Staaten» sein sollten, war damit nicht nur die Freiheit vom Mutterland gemeint, sondern auch die Freiheit der inneren politischen Ordnung: Sie konnten keine unabhängigen Königreiche, sondern mussten Republiken sein. Wie kam es dazu?
    Bis heute erinnern die Amerikaner die «Gründerväter» der Vereinigten Staaten und verbinden damit häufig das Bild weiser Männer, die hinter geschlossenen Türen die bis heute gültige Bundesverfassung der USA entwarfen: Männer wie Benjamin Franklin und Alexander Hamilton, James Madison und natürlich George Washington, Held des Unabhängigkeitskrieges und erster Präsident von 1789 bis 1797. Das ist keine Legende, und tatsächlich zeichneten sich viele dieser Männer durch eine ungewöhnliche Verbindung von Bildung und scharfem Verstand einerseits, politischer Tatkraft und praktischem «Common Sense» andererseits aus. Theoretiker von Republik und Demokratie wurden, wie John Adams und Thomas Jefferson, regierende Präsidenten. Frauen waren in offizieller Funktion nicht zugelassen, aber in Abigail Adams, der gebildeten und einflussreichen Ehefrau von John Adams, und in Mercy Otis Warren, Schriftstellerin und frühe Historikerin der Revolution, kann man durchaus inoffizielle «Gründermütter» der Vereinigten Staaten sehen.
    Das Gründerväter-Bild trifft die Realität der Entstehung von amerikanischer Verfassung und Demokratie jedoch nur sehr verzerrt. Diese Entstehung war eine komplizierte und konfliktreiche Geschichte, mit vielen Schauplätzen und Akteuren, mit Suchbewegungen und Sackgassen. Die «Erfindung» der amerikanischen Demokratie vollzog sich nicht in der stillen Kammer, sondern als das, was wir heute einen demokratischen«Basisprozess» nennen würden. Er begann im Moment der Unabhängigkeit damit, dass die 13 neuen Staaten sich eine neue, republikanische Ordnung geben mussten. Das geschah nicht informell, sondern durchweg in der Form geschriebener Verfassungen oder «Konstitutionen». Um deren Inhalt gab es oft heftigen Streit zwischen Gemäßigten und Radikalen, Eliten und städtischen Mittelschichten, Küstenregionen und Hinterland. Wer sollte wählen dürfen, wie hoch war der Zensus? Sollte das Parlament aus einer oder zwei Kammern bestehen? Pennsylvania gab sich 1776 eine ungewöhnlich radikale, demokratische Verfassung: mit einer schwachen, rotierenden Exekutive; einem Einkammer-Parlament mit breitem Wahlrecht; mit strikter Beschränkung von Mandatszeit und kurzen Wahlperioden, so dass häufig gewählt wurde; die Türen zum Parlament sollten zudem buchstäblich offen stehen. In anderen Staaten, wie z.B. in Massachusetts 1780, setzten sich moderatere Kräfte durch. Und in Pennsylvania ging der Streit weiter bis zu einer neuen, weniger basisdemokratischen Verfassung im Jahr 1790.
    Breite Mobilisierung, politischer Streit und Parteibildungen bestimmten auch das Bild auf der nationalen Ebene. Am Ende des Unabhängigkeitskrieges 1781 waren die 13 Staaten, von Massachusetts bis Georgia, nur durch einen lockeren Staatenbund vereinigt. Dessen Verfassung, die «Articles of Confederation», zeigte sich in wirtschaftlicher Krise und politischer Instabilität den Anforderungen bald nicht mehr gewachsen. Vertreter der Staaten luden zu einer Versammlung nach Philadelphia ein, die von Mai bis September 1787 tagte und nach heftigen Debatten und schwierigen Kompromissen den Entwurf für die Verfassung eines Bundesstaates vorlegte: eine immer noch föderale, aber vergleichsweise zentralistische Lösung. Man hat in dieser verfassunggebenden Versammlung, deren 55 Delegierte nicht durch Wahlen legitimiert waren, bisweilen eine Art Putsch gegen den demokratischen Impuls der Amerikanischen Revolution gesehen. Aber genauso zeigt das Vorgehen, dass die Revolution noch nicht abgeschlossen war, sondern ihre Dynamik weitergetrieben wurde.
    Denn aus dem Bund der Staaten wurde ein Bundesstaat, der seine Berechtigung unmittelbar auf das Volk, nicht mehr auf die Staaten, stützte: «We, the People of the United States» – diese Eingangsformel brachte das revolutionäre und demokratische Prinzip der Volkssouveränität zum Ausdruck. Die politische Gewalt des

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