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Was ist Demokratie

Was ist Demokratie

Titel: Was ist Demokratie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Nolte
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das 18.Jahrhundert bis in die Gegenwart.
    Erst recht gilt das konkret und unmittelbar: Revolutionen sind immer wieder – nein: sogar zunehmend – für die Demokratie gemacht worden. 1830 oder 1848 gab es viele Liberale, die dezidiert keine Demokratie wollten. Aber kaum eine europäische Revolution lässt sich eindeutiger als eine Revolution für Demokratie bezeichnen als die mittel- und osteuropäische von 1989. In Deutschland ist die erste Demokratie, die der Weimarer Republik, in der Revolution von 1918/19 gemacht worden. Aber nicht immer bedarf es einer Revolution im Übergang zur Demokratie. Die britische Demokratie ist evolutionär entstanden, im schrittweisen Ausbau demokratischer Rechte und Institutionen; gleiches gilt überwiegend für die Schweiz und für die skandinavischen Länder. Die Demokratie der Bundesrepublik Deutschland etablierte sich unter Führung der westlichen Alliierten nach der Befreiung von der nationalsozialistischen Diktatur.
    Andererseits sind Revolutionen nicht per se demokratisch oder drängen im Ergebnis auf Demokratie hin. Das gilt vor allem im 20. Jahrhundert. Bis 1800 konnten Revolutionen noch gar nicht im vollen Sinne demokratisch sein – seit 1917 können sie über die liberale Demokratie hinausdrängen, nicht nur im Ergebnis, sondern auch in der Absicht. Die von Lenin geführte russische Oktoberrevolution markiert hier die welthistorische Zäsur. Abschaffung des Parlaments, Einschränkung individueller Rechte zugunsten vermeintlich höherer Ziele, Verfolgung politischer Gegner: Das war kein Betriebsunfall, sondern Programm. Die Ambivalenz von Befreiung und neuer Unfreiheit hat seitdem vor allem die kolonialen Unabhängigkeitsrevolutionen geprägt, ob in China 1949 oder in Kuba 1959; auf besondere Weise auch die islamische Revolution im Iran 1979, die ohne Zweifel eine «Revolution» gewesen ist, und auch demokratische Elemente enthielt. Ein besonderer Fall ist die Etablierung faschistischer Regime im frühen 20. Jahrhundert. Die Nationalsozialisten haben ihre Machtübernahme in Deutschland 1933/34 als eine Revolution gesehen und teils auch bewusst so inszeniert. Aber die Mehrzahl der Forscher lehnt den Begriff in diesem Fall ab. Das zeigt noch einmal, dass in dem Begriff von Revolution bis heute wenigstens der Anspruch auf Freiheit oder Gleichheit, selbst wenn er scheitert oder pervertiert wird, mitschwingt.
2 Revolution, Republik, Parlament:
England im 17. Jahrhundert
    Bürgerkriege und Revolution, Hinrichtung des Königs und Übergang zur Republik, Restauration der Monarchie und schließlich eine zweite, die sogenannte «Glorreiche» Revolution 1689: Die politische Geschichte Englands geriet im 17. Jahrhundert gewaltig in Bewegung. Die Englische Revolution, im engeren Sinne zwischen 1640 und der Begründung der Republik als «Commonwealth» 1649, kann als die erste moderne Revolution gelten, auch wenn der Aufstand der niederländischen Provinzen gegen die spanische Herrschaft am Ende des 16. Jahrhunderts in manchem schon ähnlichen Mustern folgte. Die Reformation hatte eine religiöse Dynamik freigesetzt, die sich in politische und soziale Konflikte übertrug. Besonders die calvinistischen Richtungen des Protestantismus, zu denen auch die englischen Puritaner gehörten, standen gegen die absolute Monarchie, oft auch gegen Hierarchie und für Modelle einer egalitären Gesellschaft. Vertreter der «Stände» –überwiegend Adlige, noch nicht der bürgerliche «Dritte Stand» –kämpften gegen die Krone um Rechte, nicht zuletzt das Recht der Steuerbewilligung. Die Idee, nicht nur eine Stadt wie Venedig, oder einen Schweizer Kanton, sondern ein größeres Territorium ohne König zu regieren, wurde erprobt: in den «Generalstaaten» der Niederlande und eben auch in England zwischen 1649 und 1660; ein Jahrhundert später dann auch in der polnischen Adelsrepublik.
    Was die Englische Revolution von der früheren Revolte der Niederlande unterscheidet, ist nicht zuletzt ihre soziale Komplexität und Tiefenwirkung. Im politischen Kern war sie zwar ein Konflikt zwischen Monarchie und Parlament um die Erweiterung der Parlamentsrechte. Das forderten die «Nineteen Propositions» des Langen Parlaments 1642. König Charles I. wies es zurück, und der Bürgerkrieg begann. Am Ende stand, fast ein halbes Jahrhundert später, die bis

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