Was ist Demokratie
frühen Deklarationen von Rechten war, wie wir gesehen haben, bereits sehr breit und schloss, besonders in Frankreich, auch einen sozialegalitären Impuls mit ein.
Das gesamte 19. Jahrhundert, auch noch die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts erscheint beim Blick auf die Geschichte der Menschenrechte oft wie ein schwarzes Loch. Tatsächlich war die Zeit der beiden Weltkriege, von Diktaturen, Rassismus und Völkermord keine gute Zeit für die Menschenrechte â nicht nur in Europa, sondern auch mit dem Beginn der Apartheid in Südafrika und der Rassentrennung und Entrechtung der Schwarzen in den amerikanischen Südstaaten. Aus dieser Erfahrung nährte sich die neue internationale Emphase der Menschenrechte nach 1945. Das 19.Jahrhundert jedoch steht gar nicht so schlecht da. Es war zwar weniger ein Zeitalter der ganz neuen Ideen und Forderungen. Aber die Grundfreiheiten der Amerikanischen und Französischen Revolution schwappten in andere Länder über, auch nach Deutschland. Hier prägte die Arbeit der Frankfurter Paulskirche an den «Grundrechten des deutschen Volkes» 1848 eine eigene Tradition: International hat sich der Begriff der Grundrechte nicht durchgesetzt, wurde jedoch 1919 in die Weimarer Reichsverfassung und von dort 1949 in das Grundgesetz übernommen, wo die Grundrechte den ersten, unantastbaren Teil der deutschen Verfassung bilden. â In vieler Hinsicht kann man das 19. Jahrhundert auch als eine Erfüllungsphase der revolutionären Forderungen betrachten. Viele der Menschen- und Bürgerrechte erlangten weitere, oder selbstverständlichere Geltung â sei es spektakulär wie mit dem Ende von russischer Leibeigenschaft 1861 und amerikanischer Sklaverei 1865; sei es eher im Verborgenen, vorallem durch ein immer dichteres Netz von Gesetzen, das die Sicherheit der Person, eine geordnete Strafverfolgung oder auch das private Eigentum garantierte.
Nach dem alliierten Sieg über das nationalsozialistische Deutschland begann nicht nur eine neue, emphatische Phase der Menschenrechte. Erst jetzt setzte sich überhaupt der Begriff der Menschenrechte allgemein durch, die zudem auf ganz neue Weise internationalisiert und globalisiert wurden, bis hin zu dem umfassenden «Menschenrechtsregime» der Vereinten Nationen und des Europarats, von dem man seit einiger Zeit spricht. Die «universelle Deklaration der Menschenrechte» der Vereinten Nationen, am 10. Dezember 1948 in Paris von der Generalversammlung verabschiedet, gab dafür die Initialzündung. Ihre Sprache, ihr Aufbau, auch ein wesentlicher Teil ihres Inhalts stehen in unverkennbarer und unmittelbarer Kontinuität zu den Deklarationen des 18. Jahrhunderts. Auch die Verknüpfung mit der aktiven politischen Freiheit findet sich wieder, denn nach Art. 21 hat jeder «das Recht, an der Regierung seines Landes teilzuhaben, direkt oder durch frei gewählte Repräsentanten». Neue Akzente setzt ein erweitertes Gleichheitsmotiv, das die Diskriminierung aufgrund von Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Nationalität oder Religion ausschlieÃt, und setzen auch soziale und wirtschaftliche Rechte wie das Recht auf Arbeit und das Prinzip des gleichen Lohns für gleiche Arbeit. Solange nicht nur politische Partizipation, sondern auch wesentliche soziale und kulturelle Leistungen wie Bildung und Gesundheit überwiegend nationalstaatlich organisiert sind, bleibt dieser globale Anspruch freilich schwer einklagbar. Einen entscheidenden Schritt weiter hat deshalb in jüngster Zeit die europäische Menschenrechtspolitik gemacht. Zur Sicherung der Europäischen Menschenrechtskonvention von 1950, der sich alle 47 Mitgliedsländer des Europarats angeschlossen haben, ist deshalb der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte gegründet worden. An ihn können sich seit dem Ende der 90er Jahre auch einzelne Bürgerinnen und Bürger mit ihren Beschwerden richten.
So unterstreichen diese Entwicklungen der letzten Jahrzehnte zugleich ein enges, aber vielschichtiges Verhältnis von Menschenrechten und Demokratie. Die im späten 18. Jahrhundert angelegte Amalgamierung von Grundfreiheiten und demokratischer Partizipation hat sich erhalten; anders gesagt: Demokratie als freie Selbstregierung gehört zu den Grund- und Menschenrechten dazu. Andererseits hat sich die Verbindung von beidem in dem neuen Begriff der Menschenrechte gelockert.Zum einen ist angesichts
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