Was ist Demokratie
betrifft, was von allen diskutiert und entschieden wird. Republik bedeutet nichts anderes als «öffentliche Sache» â so wurde der Bereich politisch-staatlicher Angelegenheiten in der römischen Republik genannt: «res publica». Im modernen Verständnis jedoch ist der Staat keineswegs mit der Ãffentlichkeit identisch, auch nicht als Republik oder Demokratie. Im Gegenteil, die Ursprünge der Ãffentlichkeit vor allem in der Aufklärungszeit des 18. Jahrhunderts liegen in einem Spannungsverhältnis zur Politik. Unabhängig von der staatlichen Obrigkeit, also von der Monarchie und ihrer höfischen Repräsentation, wollten Bürger frei darin sein, ihre Meinungen auszutauschen und damit auch Kritik an der Herrschaft zu üben.
So hat Ãffentlichkeit bis heute eine «horizontale» und eine «vertikale» Dimension. Ein einzelner Kritiker der Macht stellt keine Ãffentlichkeit dar, die erst in einer Gemeinschaft konstituiert wird: den Lesern eines Magazins, den Teilnehmerinnen an einer Demonstration, den Kontrahenten in einer Podiumsdiskussion. Ãffentlichkeit ist aber auch keine Spielwiese des folgenlosen Austauschs politischer Meinungen und Argumente. Sie stellt politische Herrschaft auf den Prüfstand; sie kritisiert die Mächtigen oder überhaupt die Machtverhältnisse. Das galt im 18. Jahrhundert, als solche Kritik überhaupt erst eine Demokratisierung absoluter Monarchien erzwingen wollte. Es gilt aber auch in Demokratien, in denen die «kritische Ãffentlichkeit» eine Kontrollfunktion wahrnimmt und neue politische Ideen entwickelt. Das geschieht heute in der Regel innerhalb der Demokratie, das heiÃt im Streben sie zu verändern oder zu erweitern, nicht sie zu überwinden.
Im 18. Jahrhundert entstand Ãffentlichkeit an ganz konkreten Orten. Bürger in einer Stadt wollten sich über ihre Ansichten austauschen und trafen sich deshalb in Gaststätten. Sie gründeten Vereine, die vordergründig oft geselligen oder praktischen Zwecken dienten: der Freizeitvon Beamten oder Kaufleuten nach Feierabend oder der Beförderung wirtschaftlicher Entwicklung. Wo immer man sich traf â im Kaffeehaus oder im eigenen Vereinsgebäude, mit offenem Zugang oder im geschlossenen Mitgliederkreis â stand die Lektüre von Zeitschriften und Zeitungen ganz obenan, die meist im Abonnement gehalten wurden. Politische Themen drängten sich umso mehr in den Vordergrund, als solche Periodika von aufregenden Neuerungen aus der ganzen damals bekannten Welt zu berichten wussten. Das mochte die Besprechung eines Buches sein, das sich in ungekannter Radikalität gegen die Monarchie, den Adel oder die Kirche wandte, genauso wie ein Bericht über die revolutionären Ereignisse in Nordamerika, der in den 1770er Jahren in Paris oder Hamburg für Gesprächsstoff sorgte.
In seinem Buch «Strukturwandel der Ãffentlichkeit» hat Jürgen Habermas diese neue, bürgerliche Ãffentlichkeit des 18.Jahrhunderts in Westeuropa beschrieben und damit ein Stück der Vorgeschichte von Demokratie rekonstruiert. Seither sind die Strukturen dieser Ãffentlichkeit viel genauer ausgeleuchtet worden. Das Bild von den bürgerlichen, teilweise auch adligen Oberschichten, die sich in Teestuben, Salons und Freimaurerlogen versammelten und anspruchsvolle Schriften diskutierten, gibt nur einen Teil von ihnen wieder. Auch in der Provinz, in kleineren Städten und Dörfern begann man zu lesen und zu diskutieren; Zeitungen und kleinere Flugschriften aller Art erreichten zunehmend soziale Schichten jenseits der Eliten: Handwerker, Bauern, sogar Arbeiter. Zumal in revolutionären Zeiten in Nordamerika und Frankreich konnten fast alle Plätze, auch auÃerhalb der formellen Treffpunkte der Gebildeten, zu Orten der Ãffentlichkeit werden: ein Wirtshaus, ein Gerichtsgebäude und natürlich die StraÃe. Ãffentlichkeit wurde nicht nur geschrieben, gedruckt und gelesen, sondern auch mündlich und durch gemeinsames Handeln, zum Beispiel in einer Protestaktion, hergestellt.
Dennoch gewannen Druckerzeugnisse seit dem 18. Jahrhundert eine besondere Bedeutung für die Ãffentlichkeit und haben sie bis heute, bis in die digitale Revolution hinein, behalten. Die Entstehung von Ãffentlichkeit verknüpfte sich eng mit dem Kampf für die Pressefreiheit, und damit gegen die Zensur. Diese ursprünglich kirchliche Einrichtung
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