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Was ist Demokratie

Was ist Demokratie

Titel: Was ist Demokratie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Nolte
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der Kontrolle (und ggf. des Verbots) von Druckschriften war selber eine Antwort auf die Gutenberg-Revolution des Buchdrucks. Im frühen 19. Jahrhundert erreichte sie in Deutschland ihren Höhepunkt als staatliche Vorzensur, bei der beinahe alle Druckerzeugnisse vorab einer Behörde,einem Zensor mit der sprichwörtlichen Schere (die es auch «im Kopf» gibt!) vorgelegt werden mussten. So stellte sich Öffentlichkeit nicht nur horizontal und vertikal her, sondern zugleich im Zusammenspiel von gedruckten Schriften, die an vielen Orten gleichzeitig gelesen werden konnten, und von direktem, persönlichen Kontakt. Bis heute schwingt im Verständnis von Öffentlichkeit auch diese Dimension der unmittelbaren physischen Präsenz und Interaktion mit. Erst in der Internet-Öffentlichkeit, in sozialen Netzwerken oder bei Twitter, verschwimmt diese Grenze zwischen Medium und direkter Kommunikation unter Anwesenden.
    Schon Habermas hatte der von ihm untersuchten bürgerlichen Öffentlichkeit der Eliten eine andere, eine «plebejische» Öffentlichkeit des einfachen Volkes gegenübergestellt. Arbeiter und andere Unterschichten entwickelten seit dem Ende des 18. Jahrhunderts ihre eigenen Formen, ihre eigenen Orte der politischen Artikulation. Aus ihrer Sicht war die Öffentlichkeit der adlig-bürgerlichen Eliten ein vornehmes Spiel innerhalb der Oberschicht, dessen Kritik an den Machtverhältnissen entweder nicht weit genug ging oder die Lebenswelt der einfachen Leute nicht berührte und nicht verbesserte. So hat der Historiker E. P. Thompson die Entstehung der englischen Arbeiterklasse als Formierung einer alternativen Öffentlichkeit (wie wir heute sagen würden) aus der Lebens- und Konflikterfahrung der Unterschichten geschildert. In der marxistischen Tradition, der sich auch Thompson zurechnete, ist immer wieder auf die Eigenständigkeit einer proletarischen Öffentlichkeit hingewiesen worden, die von der bürgerlichen abgedrängt, bestenfalls ignoriert worden sei.
    Tatsächlich ist Öffentlichkeit nicht sozial neutral oder steht automatisch im Dienste eines allgemeinen Besten, oberhalb konkreter Erfahrungen und Interessen (auch, aber nicht nur: Klasseninteressen) schwebend. Man muss sich hüten, sie so zu idealisieren, gar zu romantisieren als ein unfehlbares gutes Gewissen der Demokratie. Aber auch in der Idee einer plebejischen oder proletarischen Öffentlichkeit steckt viel Idealismus und bisweilen ein falscher Glaube an ihre Überlegenheit gegenüber dem bürgerlichen Pendant. Historisch lässt sich eine scharfe Trennung ohnehin nicht nachweisen: Im 18. Jahrhundert haben Eliten und einfaches Volk in den Revolutionen oft eng zusammengewirkt, auch die Lektüre von Flugblättern oder Zeitungen geteilt. Die parlamentarisch-politische Öffentlichkeit der Eliten stand in England schon im frühen 19. Jahrhundert in dichter Verflechtung mit «Volkes Stimme».Die sozialdemokratische Arbeiterbewegung in Deutschland wollte seit ihren Anfängen in den 1860er Jahren immer sehr entschieden Teil einer allgemeinen, demokratischen Öffentlichkeit sein. Und in der polnischen Opposition der 1970er und 80er Jahre unterstützten Intellektuelle nicht nur mit ihren Schriften, sondern auch im «Komitee zur Unterstützung der Arbeiter» (KOR) die proletarische Öffentlichkeit der Danziger Werftarbeiter.
    Ã–ffentlichkeit ist nichts allumfassendes, nichts homogenes, und kaum jemals historisch stabil. Sie nimmt verschiedene Formen an, drückt unterschiedliche Interessen aus – man spricht von «Teilöffentlichkeiten». Im späteren 20. Jahrhundert sprach man auch oft von einer alternativen oder «Gegen-Öffentlichkeit», um auszudrücken, dass in den Hauptströmungen der Medien, oder in der Mehrheit der Bevölkerung, bestimmte Positionen nicht genügend Beachtung finden. Oder man versteht unter Gegen-Öffentlichkeit die unterdrückte politische Diskussion in Diktaturen, die sich gegenüber der staatlich kontrollierten Schein-Öffentlichkeit und unter persönlichen Risiken zu artikulieren versucht wie das oppositionelle Schrifttum des «Samisdat» in den realsozialistischen Ländern. Letztlich geht es dabei aber nicht um die Etablierung prinzipiell voneinander getrennter Sphären, sondern um Offenheit, Erweiterung und Vielfältigkeit.
    Seit dem 18.Jahrhundert haben Idee und Praxis der

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