Was ist mit unseren Jungs los
ins Gesicht. Seine Schulbücher wurden zerstört und wenn man ihm begegnete, verzog man das Gesicht. Die Eltern und die Schulleitung waren entsetzt. Schließlich schickte man den Jungen zur mir. Die Erwartung war, dass ich die Hintergründe seiner Mobbinggeschichte abkläre und ihm helfe, sich zu wehren. Ich empfing den vierzehnjährigen Jungen in meinem Sprechzimmer und sprach ihn sogleich auf seine missliche Situation an. Ich versuchte mit ihm in Kontakt zu kommen. Nach einer Viertelstunde hatte er mich dermaßen verärgert, dass ich ihn eigentlich am liebsten vor die Tür gesetzt hätte. Eine solche Handlung geziemt sich jedoch nicht für einen Psychologen und ich überlegte mir, was an ihm solche ablehnenden Emotionen auslöst. Es gab ein paar Gründe. Auf meine Eingangsfrage, wieso er denke, dass er gemobbt werde, antwortete er: Der Grund sei klar. Er sei einfach viel intelligenter als alle anderen!Er gab mir zu verstehen, dass er meine Frage ziemlich doof und als unintelligent empfand. Ich versuchte trotzdem mit ihm ins Gespräch zu kommen. Meine Worte prallten jedoch an ihm ab, er schaute mir nicht in die Augen, sondern suchte gelangweilt mein Sprechzimmer mit seinen Blicken nach etwas Interessanterem als mich ab. Als ich für einen kurzen Moment wegblickte und ihm danach meinen Kopf wieder zuwandte, war ich bas erstaunt: Der Junge hatte seine Schuhe ausgezogen und streckte mir provokativ seine Füße entgegen. Mir war klar, wieso er immer wieder gemobbt wird.
Jugendliche, die zur zweiten Kategorie der Mobbingopfer gehören, werden ausgegrenzt, weil sie in ihrem Verhalten oder ihrer Persönlichkeit auffällig sind. Die Reaktion der Schulklasse oder Gruppen ist nachvollziehbar. Das Verhalten des Schülers oder der Schülerin irritiert, ist grob auffällig und einfach nicht gruppenkonform. Die Klasse wehrt den Mitschüler oder die Mitschülerin ab, weil sie instinktiv merkt, dass etwas mit ihm oder ihr nicht stimmt. Eigentlich handelt es sich bei diesem Mobben nicht um ein Fehlverhalten, sondern um eine nachvollziehbare Ausschlussreaktion. Das bizarre, arrogante oder selbstherrliche Verhalten ihres Mitschülers überfordert die anderen Schüler und Schülerinnen. Oft geht es um Normverletzungen, die man als Lehrer fast nicht bemerkt. Ein Schüler wurde von seinen Klassenkameraden gemobbt, weil er ihnen permanent zu nahe trat. Er drängte sich ihnen körperlich auf. Er realisierte nicht, dass man im Umgang mit anderen einen bestimmten Abstand wahrt. Eine Jugendliche einer Klasse mit pubertierenden Schülerinnen wurde von den Mädchen abgelehnt, weil sie öfters während der Schulstunden ihre Hand in ihre Hose schob, sie in ihr Geschlechtsteil steckte und nachher an ihrer Hand roch oder sie sogar abschleckte. Verständlicherweise löst solches Benehmen Irritationen aus. Es gibt jedoch extremere Fälle: In einer Oberstufe im KantonFribourg wurde ein Jugendlicher systematisch von seinen Mitschülern gemieden. Über die Gründe tappte man im Dunkeln. Nach einem Schulbesuch wurde mir jedoch klar, was vor sich ging. Der Junge stand vor mir, glotzte in die Weite und hielt eine Papiertüte in den Händen. Von Zeit zu Zeit griff er mit seiner Hand in die Tüte und holte etwas hervor, das sofort in seinem Mund verschwand. Er liebte es, als Zwischenverpflegung Fliegen zu verspeisen.
Als Lehrer oder Jugendarbeiter steht man bei solchen Jugendlichen vor großen Herausforderungen. Man versteht die Reaktion der Klasse und teilt vielleicht sogar die Bedenken, die dem Jugendlichen entgegengebracht werden. Man reagiert auch irritiert und möchte sich eigentlich distanzieren. Gleichzeitig weiß man jedoch, dass dies keine Option ist und man sein Bestes tun muss, ihm zu helfen. Es hilft jedoch nicht, dem Betreffenden vorzugeben, dass man ihn selber schätzt und so zu tun, als würde man das Verhalten der Klasse nicht verstehen. Der gemobbte Jugendliche merkt, dass man unehrlich ist. Man muss zu den eigenen Reaktionen und Empfindungen stehen, wenn man einem Mobbingopfer helfen möchte. Die Situation darf darum nicht beschönigt werden. Gleichzeitig muss das Mobbingopfer merken, dass man ihn oder sie nicht als Mensch ablehnt. Es geht um ein Problem, das man gemeinsam angeht. Die eigenen negativen Gefühle gilt es, mit dem Gesamtkontext in Verbindung zu setzen und nicht auf die Persönlichkeit des Jugendlichen zurückzuführen. Es gilt, dem Jugendlichen genau zu erläutern, wieso seine Kameraden negativ reagieren und was sein
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