Was ist mit unseren Jungs los
müssen Tricks und Verschleierungen eingesetzt werden; Bewusstsein oder Ich-Standpunkt dürfen nicht irritiert werden. Der Betreffende will weiter von der eigenen Redlichkeit und Ehrenhaftigkeit überzeugt sein, während er Intrigen schmiedet, Kollegen schlecht macht oder betrügt. Das Bewusstsein hat die Aufgabe, die Illusion eigener Gutartigkeit aufrecht zu erhalten, so dass wir des Nachts ruhig schlafen und unsere Aggressionen ohne schlechtes Gewissen ausleben können. Wie fast alle Menschen betonen auch die meisten Jugendlichen, dass sie Gewalt ablehnen und nicht gemein sein wollen. Sie geben sich als Menschenfreund. Gleichzeitig wirkt jedoch auch ein kleines Teufelchen in ihnen, das Missgunst sähen möchte oder von Neid und Eifersucht getrieben ist. Wir sind nicht so edel, wie wir uns gerne bezeichnen. Vor allem scheinbar soziale Kreise haben inzwischen eine unglaubliche Virtuosität entwickelt, von den eigenen Schattenseiten abzulenken. Jugendliche stimmen in diese Haltung ein. Offene Gewalt wird nicht zugelassen; ist verpönt. Es würde bedeuten, dass man wirklich aggressiv ist und sogar als Täter beschimpft wird! Man müsstesich dann schämen oder wenigstens mit der eigenen Rolle im Vorfall auseinandersetzen. Raffinierter ist darum, wenn mehrdeutige Situationen ausgenützt werden und die eigenen Bösartigkeiten unter dem Deckmantel des Guten geschehen. Das eigene Selbstbild muss nicht in Frage gestellt werden. Scheinbar beachtet man die Umgangscodes, verhält sich anständig und kooperativ, doch untergründig verfolgt man düstere Ziele. Wenn Jugendliche eine Schule besuchen oder in einer Firma arbeiten, dann setzen die wenigsten offene Aggressionen oder Gewalt ein, wenn sie gegen einen Mitschüler losgehen oder einen Zwist ausfechten wollen. Die Methode der Wahl ist das Mobbing . Der Kontrahent, Feind, Gegenspieler oder die missliebige Schülerin wird mit Hilfe anerkannter Werte und Normen ausgegrenzt oder fertig gemacht.
Der Begriff Mobbing wurde durch den norwegischen Psychologen Dan Olweus bekannt. 73 Er bezieht sich auf versteckte Aggressionen. Unter Mobbing werden Ausschluss- und Diskriminierungsprozesse verstanden, die sich in Gruppen abspielen. Ein Mitglied wird systematisch geschnitten, ignoriert, schlecht gemacht oder aktiv ausgeschlossen. Bei Mobbing handelt es sich um stille Gewalt. Das unbedachte Auge sieht nichts und merkt nicht, dass jemand aus den eigenen Reihen angegriffen wird. »Geht es dir besser?«, fragt ein Lehrerkollege scheinbar empathisch zu Beginn einer Teamsitzung eine Kollegin. Oberflächlich betrachtet verhält er sich fürsorglich. Alle im Team wissen jedoch, dass die Kollegin mit einem Alkoholproblem kämpft. Dank der scheinbar empathischen Frage konnte man alle darauf hinweisen, dass die Kollegin das Problem immer noch nicht im Griff hat. 74
Im Gegensatz zu den offenen Aggressionen wird den versteckten Aggressionen keine besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Zeitungen und Fernsehen sind voll von Berichtenüber Schlägereien, Erpressungen und gemeine Attacken. Oft wird die Jugend sogar mit diesem Thema identifiziert, als würden die jungen Frauen und Männer ihren Alltag herumstreunend verbringen und nur Gewalt im Kopf haben. Vergessen wird, dass die Mehrheit der Jugend ihren Alltag in einer Institution verbringt. Die jungen Männer oder Frauen besuchen die Schule, absolvieren eine Ausbildung oder gehen einer Arbeit nach. Offene Gewalt ist fast nur in einem Kontext möglich, der nicht geregelt ist und in dem keine Codes und Verhaltensnormen gelten. Zu offener Gewalt kommt es bei Fußballmatches, beim Ausgehen am Abend oder auf Partys. Die Jugendlichen verbringen jedoch den größten Teil ihres Alltags nicht mit Freizeit, sondern auf einer Schulbank, in einem Arbeitsteam oder sie schuften in einer Bude. Dort ist nicht offene Gewalt das Thema, sondern die versteckten Gemeinheiten und Mobbing. Wie auch eine eigene Untersuchung in schwedischen und schweizerischen Schulen zeigte, leiden Jugendliche mehr unter Mobbing als unter offenen Gewaltattacken. 75 Mobbing ist das komplexere Thema und leider in jeder Schule wie auch jeder Firma verbreitet. Die meisten Schüler und Schülerinnen lernen rasch, wie man versteckt aggressiv vorgeht. In Schulen wird das Mobben dann jedoch meist als harmloser Scherz getarnt oder als unernste Tätigkeit bezeichnet. Eine Mitschülerin wird nicht mehr mit ihrem Namen angesprochen, sondern als Kürbis bezeichnet, lustig! Laut spricht man dann in
Weitere Kostenlose Bücher