Was ist mit unseren Jungs los
Anteil ist. Gleichzeitig kann mit der Klasse gearbeitet werden und nach einer Öffnung in der Mauer der Ablehnung gesucht werden. Für die ablehnenden Gefühle gilt es Verständnis aufzubringen, ohne sie zu akzeptieren. Unsere Haltung sollte sein, dass in Schulklassen verschiedene Persönlichkeiten Platz haben sollten. Differenzen und Auseinandersetzungen müssen möglich sein. Man muss sich nichtgern haben. Klassen sind keine Wohlfühlvereine, sondern Zwangsgemeinschaften. Dies bedeutet auch, dass Spannungen, Streitigkeiten und Antipathien erlaubt sind. Man ist zusammen, weil man ein gemeinsames Ziel verfolgt und nicht weil man sich versteht. Mit den Schülern und Schülerinnen arbeitet man an einer Klassengemeinschaft, in der unterschiedliche Persönlichkeiten kooperieren, sich zeitweise meiden, jedoch immer respektieren. Heterogenität bedeutet, dass man auch Mitschülerinnen und Mitschüler akzeptiert, die sich in den Augen der anderen sonderbar verhalten.
Die dritte Kategorie bezieht sich auf Jugendliche, die von ihrem Mobbingstatus profitieren. Sie erhoffen sich durch ihn einen persönlichen Vorteil. Von den Klassenkameradinnen oder Klassenkameraden gemieden zu werden oder als Sonderling bezeichnet zu werden, vermittelt einen speziellen, oft narzisstischen Lustgewinn. »Niemand versteht mich!« wird zu ihrem persönlichen Leitmotto. Solche Kinder oder Jugendliche versuchen Situationen zu provozieren, die ihren Mobbingstatus bestätigen. »Komm! Setz dich doch zu uns! Wir können gut ein bisschen zur Seite rücken!«, rief ein Schüler einem Jungen zu. Statt der Aufforderung nachzukommen und mit seinen Kameraden auf der langen Bank Platz zu nehmen, blieb er alleine und beleidigt auf dem Boden der Turnhalle sitzen. Er wollte sich als Person inszenieren, die von den anderen Menschen nicht verstanden wird und die ein außerordentliches Schicksal zu tragen hat.
Das Mobbingargument wird von Jugendlichen oft auch als Waffe eingesetzt. Wenn Anforderungen gestellt werden oder um von eigenen Unzulänglichkeiten abzulenken, wird behauptet, dass man gemobbt wird. Da Behörden, Eltern, Psychologen und Anwälte für dieses Thema sensibilisiert sind, kann es funktionieren. Will oder kann man in einem Lehrbetrieb seine Leistungen nicht erbringen, konstruiert man rechtzeitig einen Mobbingvorwurf. »Der Chef will mich loswerden, darum gibter mir extra Aufträge, die ich nicht erledigen kann und erfindet Fehler.« 77
Maßnahmen gegen Mobbing
Schulen sind halbchaotische Institutionen. Im Gegensatz zu Firmen, staatlichen Arbeitsstellen oder einem losen Arbeitsteam können sie nicht entscheiden, wen sie aufnehmen wollen. Jedes Kind oder jeder Jugendliche hat ein Anrecht auf Schulunterricht.
Die Kehrseite der Offenheit der Schule ist ihre große Heterogenität . In der Schule treffen nicht nur verschiedene soziale Schichten aufeinander, sondern auch unterschiedliche Charaktere, Interessen und kulturelle Prägungen. Ein Schüler mit einem hohen Aggressionspotential sitzt neben einem schüchternen Eigenbrötler, oder eine strebsame, angepasste Schülerin muss mit einer Klatschtante zusammenarbeiten.
Aus einer zwangsweise zusammengesetzten Gruppe von Schülern und Schülerinnen eine Gemeinschaft zu bilden, kann für Lehrer zu einer gewaltig anspruchsvollen Aufgabe werden. Man kann die Kinder oder Jugendlichen nicht einfach durch schöne Leitbilder oder Rollenspiele zu einer Gemeinschaft zusammenschweißen, sondern dazu braucht es mehr. Mobbing ist oft eine Folge unrealistischer Vorstellungen von den Möglichkeiten einer Schulgemeinschaft. Die fast zwanghafte Fixierung auf Gruppenunterricht, Teamarbeit oder Eigenständigkeit überfordert viele Kinder und Jugendliche. Nicht in jeder Schulklasse ist es möglich, dass der Schüler zu seinem eigenen Lernmanager wird, die Unterrichtsziele selber festlegt und die Lehrer im Hintergrund als Coach oder Mentor wirken, sondern die meisten schulischen Gemeinschaften brauchen eine Führung . Eine erwachsene Person muss sich den Jugendlichen als Leitperson oder Oberbandenführer präsentieren. Sie mussvor der Klasse stehen, Erwartungen formulieren und sich als Identifikationsfigur der Werte der Schulgemeinschaft anbieten. Führung übernehmen heißt auch, in Phasen des Frontalunterrichts den Kindern oder Jugendlichen eine Möglichkeit der kollektiven Einstimmung auf die Gemeinschaft zu bieten. Wenn ein Lehrer vor einer Gruppe Kinder oder Jugendlicher steht und sie auffordert, die Aufmerksamkeit
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