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Was ist mit unseren Jungs los

Was ist mit unseren Jungs los

Titel: Was ist mit unseren Jungs los Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allan Guggenbuehl
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sind inakzeptabel und rufen in uns Abscheu hervor. Wir werden wütend und fordern, dass die Täter die ganze Härte des Gesetzes spüren müssen. Jugendgewalt zu verhindern muss eine Aufgabe der Gesellschaft sein. Leider gibt es jedoch keine einfachen Lösungen. Der Ruf nach harten Strafen ist auch Resultat unserer Frustration, dass wir Gewalt nicht verbannen können. »Aggressionen muss man einfach gesetzlich verbieten«, schlug ein Podiumsteilnehmer an einer Veranstaltung in Deutschland vor. Die Vorstellung ist, dass der Staat es eigentlich in der Hand hätte, durch ein rigoroses Durchgreifen Jugendgewalt einzudämmen. Wenn man sich jedoch nüchtern und detailliert mit dem Thema Jugendstrafen befasst, dann ergibt sich ein komplexeres Bild.
    Harte Jugendstrafen werden gefordert, um Jugendliche von Gewalt abzuhalten. Den potentiellen Straftätern soll durch das Strafmaß Schrecken eingejagt werden. Die Hoffnung ist, dasssich die Jugendlichen aus Furcht vor einem Gefängnisaufenthalt benehmen. Harte Strafen werden als eine generalpräventive Maßnahme gegen Gewalt verstanden. Der Staat setzt ein deutliches Zeichen. Die Abschreckung wirkt jedoch nur, wenn die Jugendlichen realisieren, dass ihr Verhalten eine Strafe zur Folge haben könnte. Sie müssen einen Zusammenhang zwischen ihren Aktionen und einer möglichen Strafe sehen. Leider ist dies bei den meisten potentiellen Gewalttätern nicht der Fall. Die Argumente der Erwachsenenwelt werden von den Jugendlichen gar nicht wahrgenommen. Strafen sind für sie etwas Abstraktes . Was ein Gefängnisaufenthalt bedeutet, übersteigt ihr Vorstellungsvermögen. Sie haben keine Ahnung, was es heißt, in einem Gefängnis zu schmoren und wertvolle Lebensjahre in Unfreiheit zu verbringen. Zudem sind sie überzeugt, dass es sie niemals treffen wird. Sie meinen, sie seien schlauer, raffinierter und geschickter als die Polizei und ihr Delikt sowieso nur eine Bagatelle. Sie leben in einer Welt, die keinen Bezug zur Lebenswirklichkeit der Erwachsenen hat. Wird ein Kamerad verurteilt, hat er etwas falsch gemacht oder es ist einfach dumm gelaufen. Den meisten Gewalttätern fehlt außerdem das Unrechtsbewusstsein. Aus ihrer Sicht waren sie gar nicht gewalttätig, sondern sie haben sich nur gewehrt, einen Rassisten bekämpft oder auf eine Provokation reagiert. Sie haben Mühe, ihren Anteil oder ihre Schuld zu erkennen. Dazu kommt, dass die meisten jugendlichen Gewalttäter den Gewaltakt nicht planten, sondern er geschah spontan. Sie rutschen aus Dummheit oder auf der Suche nach dem Kick in eine Gewaltszene hinein, kommen durch Alkoholgenuss auf dumme Gedanken oder haben ihre Emotionen nicht im Griff.
     
    Ein weiteres Problem ist, dass Gefängnis bei vielen Jugendlichen nicht als negativ bewertet wird. Kontakt mit der Polizei und eine Haft durchzustehen, gilt in den Augen der Jugendlichenals heroischer Akt. Bei ihren Freunden gelten sie dann als Helden. Die Strafe ist der Beweis, dass man ein harter Junge oder Rebell ist. Die Strafe wird zu einem Beweis der Eigenständigkeit und des Muts. Man hat es dieser »Scheißgesellschaft« gezeigt und erreicht, dass die Erwachsenen einen fürchten! Die Strafe wird zu einem Heldenakt 78 , nun gehört man wirklich zur Szene. Man ist ein Umstürzler, Kontrahent und nicht ein braves Bübchen. Natürlich wird verschwiegen, wie man sich wirklich während der Haft verhalten hat. Großmäulerisch wird geschildert, wie man cool blieb, die Polizei foppte und ärgerte. Man unterschlägt, dass man geweint, Mitgefangene angeschwärzt und wie ein Lämmlein die Anweisungen der Polizei umgesetzt hat. Einen Gefängnisaufenthalt hinter sich zu haben, gehört zum Untergrundmythos, dem viele Jugendliche erliegen. Sie sehen sich als Straßenkämpfer, Stadt-Guerilla oder Mega-Gangsta. Auseinandersetzungen mit der Polizei und gelegentliche Inhaftierungen gehören zu einem Mythos, in dem man einen Gegner des Establishments und eine Person einer neuen Epoche verkörpert. Man hat eine Heldenreise in die Unterwelt gewagt. 79
    Auch wenn sie keine abschreckende Wirkung haben und die Jugendlichen in ihrer Szene zu Helden aufsteigen, sind Strafen notwendig. Durch die Strafen wird ein Zeichen gesetzt und ein negatives Verhalten geahndet. Durch Strafen wird die Rechtsordnung eines Landes präsent. Sie sind die Antwort des Staates auf Gesetzesübertretungen und grobe Vergehen. Dem Bürger wird kommuniziert, dass der Staat sich um Recht und Ordnung kümmert und nicht jeder tun und

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