Was kostet die Welt
lassen, von Vereinsmeierei oder steifhalsigen SPD-Heinis, was weià ich, mir ganz egal.
Dann überlege ich, ob ich Verena zurückrufen soll, aber ich hab jetzt wirklich keine Lust, zu telefonieren, und auÃerdem kommt da auch schon Kellnerin Dagmar mit meinem Essen auf mich zu. Ich rufe sie morgen zurück, oder übermorgen, mal sehen.
»Guten Appetit.«
»Danke.«
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Die Kartoffeln dampfen, der Spargel schmeckt gut. Mein Handy liegt vor mir und starrt mich vorwurfsvoll an. Ein
Anruf in Abwesenheit. Ich stecke es in die Tasche und esse weiter. Versuche mich zu konzentrieren, auf das Essen, das Bier, die Zeitung.
Es nutzt nichts. Ich sehe sie immer wieder vor mir. Wie sie auf die rote Taste drückt, das Telefon zur Seite legt und sich rückwärts aufs Bett fallen lässt, enttäuscht, dass ich schon wieder nicht abgenommen habe. Habe ich sie überhaupt schon mal traurig gesehen?
Ich glaube nicht.
Sie hat so viel gelacht auf unserer Reise. Ich auch. Wie viel Spaà wir hatten. Verena ist intelligent genug, um auch noch im schlechtesten Scherz etwas Lustiges zu finden. Die ganzen alten Kneipenwitze konnte ich wieder hervorkramen. Je flacher es wurde, desto lauter lachte sie. Davon angespornt, bin ich richtig zu Höchstform aufgelaufen. Manchmal lachten wir nur darüber, dass wir über etwas völlig Unlustiges lachen mussten.
Auf einer langen Fahrt durch die Wüste haben wir schlieÃlich Eduardo erfunden. Eine Art Alter Ego, das von da an vier Wochen lang mit uns im Auto saÃ. Eine Figur, auf die wir alles projizieren konnten, über das wir uns lustig machen wollten. Nach und nach wurde daraus ein richtiger Charakter.
Eduardo war ein schlichtes Gemüt, tumb, aber gutmütig. Ein freundlicher Neandertaler mit scheunentorgroÃem Herzen. Einer, der immer sagt, was er denkt, weil er intellektuell gar nicht in der Lage ist, sich zu verstellen. Zu dumm zum Lügen, zu primitiv für schwere Schultern, zu einfach gestrickt für Reflexion jeglicher Art. Die Axt im Walde, der Elefant im Porzellanladen. Ein bärenstarkes Riesenbaby, ein Grobian, der alles zerbricht, was ihm in die Finger kommt, der aber im Grunde seines Herzens keiner Fliege etwas zuleide
tun kann. Ein grobschlächtiger Kumpeltyp, der einem den letzten Nerv raubt, auf den man aber doch nie lange sauer sein kann. Immer gut gelaunt und voller Energie.
Die Sorte Typ, die man gerne zum Freund hat, wenn man im Dschungel oder im Slum oder bei einem Armdrückwettbewerb ausgesetzt wird, aber eher ungern, wenn man mit wichtigen Geschäftspartnern oder schöngeistigen Freunden fein essen geht.
Bei Eduardo war immer alles »ultra« oder »mega«, jeden zweiten Satz begann er mit »Ey« oder »Boah«. Er sagte Sachen wie »geile Meile!« oder »Leck mich am Arsch, ist das warm hier, ich schwitze wie ein Schwein!«, bevor er aufstand und polternd zum Klo stampfte, und beim Zurückkommen verkündete er freudestrahlend, er hätte gerade den »Monsterschiss« abgeliefert, einen »Neger abgeseilt« oder einen »Bob in die Bahn gedrückt«. Dann lachte er schallend und haute einem seine riesige Pranke auf die Schulter, dass einem die Zähne im Schädel wackelten.
Ansonsten beschränkte sich sein Humor auf einfache Gesten und uralte Scherze. Er liebte es beispielsweise, auf Gruppenfotos hinter jemandem zu stehen und ihm mit den Fingern Hasenohren zu machen, und lachte über T-Shirts mit lustigen Aufdrucken wie »Thirty but dirty« oder »Bier rein (Pfeil nach oben) - Bier raus (Pfeil nach unten)«.
Bei jeder Gelegenheit trommelte er sich vor Freude auf die Brust und brüllte laut seinen eigenen Namen: E-DU-AR-DOOOO! Am liebsten auf Bergen oder Brücken. Es überkam ihn einfach, ein animalischer Reflex. Ãberhaupt machte er alles laut. Rülpsen, furzen, gähnen, schmatzen. Ohne Rücksicht auf andere. Nicht aus Boshaftigkeit, sondern weil sein Erbsenhirn einfach nicht in der Lage war, den übermächtigen Körper zu bändigen.
Er stand auf groÃe Autos und groÃe Brüste, die bei ihm natürlich »Schlitten« und »Möpse« hieÃen, er öffnete sein Bier mit den Zähnen, egal ob Flasche oder Dose, hatte noch nie ein Buch gelesen und aà eigentlich nur Fleisch, am liebsten roh und blutig und selbst gefangen.
Das war Eduardo. Eine Mischung aus Tarzan, Forrest Gump und Conan der Barbar.
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