Was kostet die Welt
müssen, auf der Klobrille hockt, mit dem Gesicht in den Händen, und hofft, dass der andere sich bald verabschiedet. Fünf Sekunden nachdem man sich getrennt hat, atmet man erleichtert aus und weiÃ: Der andere tut gerade dasselbe.
So weit darf es auf keinen Fall kommen. Ich muss reden. Und ich rede. Ich rede einfach drauflos. Erzähle Judith, dass sie mich an Hilary Hahn erinnert.
»Wie bitte? An wen?«, fragt sie mit zusammengekniffenen Augen.
»Hilary Hahn.«
»Hi-la-ry Hahn? Willst du mich verarschen?«
»Nein, wieso!«
»Den Namen hast du dir doch ausgedacht!«
»Nein, die gibtâs wirklich. Das istâne Violinistin. Geige spielt die.«
Judith wirft mir einen »Hältst du mich für blöd?«-Blick zu. Ich reagiere nicht darauf. Ich darf jetzt nicht aufhören zu sprechen.
»Noch keine dreiÃig, aber schon weltberühmt. Hat sowohl auf dem Achtzigsten von Papst Benedikt als auch auf
einer Platte von irgend soâner texanischen Krachband gespielt. Ganz schöner Spagat, was? Das ist, als würde man gleichzeitig bei Slayer und bei ⦠was weià ich, Rolf Zuckowski spielen.«
Ich weià nicht, was ich da eigentlich von mir gebe und aus welchen Katakomben meines Hirns ich diese seltsamen Halbinformationen abrufe, aber ich muss weiterreden, damit das hier nicht versandet. Ich habe das dringende Bedürfnis, sie zu unterhalten. Ich fühle mich für die Stimmung auf diesem Balkon verantwortlich, jetzt, wo wir nur zu zweit sind. Ich will ihr etwas bieten, ich will, dass sie sich gut fühlt. AuÃerdem sieht sie wirklich ein bisschen aus wie die amerikanische Stargeigerin.
»Sehr hübsch, übrigens. Die Hahn, meine ich. Kleine Knubbelnase. So wie deine.«
Judith sieht mich an, ohne eine Miene zu verziehen. Kommt mir vor, als hätte ich seit über einer Woche nicht mehr so viel gesprochen. Mein Sprachzentrum hat sich in der Zeit anscheinend vom Resthirn abgenabelt und selbstständig gemacht, ist zu einer eigenständigen Person geworden, der ich jetzt mit zunehmender Befremdung beim SüÃholzraspeln zuhöre.
»Und ein irgendwie altersloses Gesicht. Sieht aus wie achtzehn, aber von der Mimik her total erwachsen.«
Was quatsche ich mir hier für eine gequirlte Kacke zusammen?
»Ein bisschen geheimnisvoll auch.«
Geheimnisvoll? Ich rede mich ja um Kopf und Kragen!
»Und so rotblonde Haare.«
Judith sagt immer noch nichts. Sie spielt an ihrem Glas, dreht es in der Hand und zeichnet mit der anderen den Rand des Bodens nach. Ich gebâs auf.
»Na ja, kannste ja mal googeln, wennâs dich interessiert«, sage ich. Es ist mein Angebot, diesen miesen Monolog zu beenden. Das Thema zu wechseln oder für immer den Mund zu halten. Die weiÃe Flagge nach einem missglückten Angriff. I surrender. Am liebsten würde ich einfach vom Balkon springen.
»Rote Haare habe ich eigentlich auch.« Judith nimmt einen Schluck, stellt das Glas auf den Tisch und sieht mich an. »Allerdings eher dunkelrot. Das Schwarz ist nur gefärbt.«
»Hab ich schon gesehen.«
»Ach, das hast du also auch schon gesehen!«
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Macht sie sich über mich lustig, oder fühlt sie sich geschmeichelt?
Hält sie mich für einen Schwätzer oder für einen feinen Beobachter?
Ihre Augen sind aufmerksam und klar. Flink wie die von Silvias Katze, und genauso grün und undurchsichtig. Dass ich sie immer noch nicht richtig einordnen kann, macht mich ganz nervös.
Ich zünde mir eine Zigarette an, nehme einen tiefen Zug und blicke in den Himmel, der kurz davor ist, die blaue Stunde anzutreten. Die beste Zeit des Tages. Jetzt, Ende Juni, ist die blaue Stunde wirklich bis zu einer Stunde lang und so schön, dass sie einem mit ihrer Schönheit ganz schwere Schultern machen kann.
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»Warum machst du das?«
»Warum mach ich was?«
»Das mit den Haaren.«
»Weià nicht, habe ich schon ewig so.«
»Das ist kein Argument.«
»Soll auch keins sein.«
»Nein?«
»Nein.«
»Ach so.«
»Wie, ach so ?«
»Ja nichts, ich mein nur.«
»Ach so, du meinst nur.«
»Ja. Ich mein, Rot sieht doch bestimmt gut aus, das steht dir doch bestimmt super.«
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Wir blicken jetzt beide in den Himmel. Ich glaube schon, es endgültig verbockt zu haben mit meinem peinlichen Gesülze, da sieht sie mich an und lächelt.
»Auf meinem
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