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Was kostet die Welt

Titel: Was kostet die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nagel
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einen heftigen Orgasmus. Sie drückt ihr Gesicht neben meinem linken Ohr ins Kissen. Zuckt und atmet schwer und tief. Dann kommt es auch mir, ohne dass ich in ihr drin bin. Das Kondom sitzt noch auf der Penisspitze, die Suppe läuft an den Rändern heraus.
    Ich habe schon mit ziemlich vielen Frauen geschlafen. Ich habe sie nicht gezählt, aber es waren einige. Große, kleine, laute, leise. Jüngere und ältere, erfahrene, vulgäre und verklemmte. Gelangweilte, bedröhnte, betrunkene. Verliebte und nymphomanische.
    Aber selten habe ich eine Frau getroffen, die so genau weiß, was sie will und wie sie es bekommt.
    Nur zwei Typen in zehn Jahren. Ich kann es einfach nicht fassen.
    Â 
    Â»Wusstest du, dass bei italienischen Mafiosi die Frauen niemals oben liegen dürfen? Das gilt als unmännlich«, flüstert Judith.
    Â»Aha?«
    Â»Ja, echt.«
    Â»Ja, und?«
    Â»Fiel mir nur gerade ein.«
    Â»Bekloppte Katholiken«, sage ich. »Selbst schuld.«
    Â»Ich bin auch katholisch.«

    Â»Dafür bist du aber ziemlich verdorben.«
    Â»Soll das ein Kompliment sein?«
    Â»Auf jeden Fall!«
    Â»Danke. Außerdem ist in der Mafia Oralverkehr unter Eheleuten verpönt, besonders wenn die Männer den aktiven Teil übernehmen. Das gilt als hündisch.«
    Â»Wie blöd. Für beide.«
    Sie zieht die Nase hoch. Sie weint nicht. Sie redet weiter.
    Â»Und da das alles ganz rigide geregelt ist, Seitensprünge und neue Beziehungen nach dem Tod eines Bosses und einfach alles, kann man davon ausgehen, dass die Frauen von italienischen Mafiabossen niemals in den Genuss von Cunnilingus kommen.«
    Â»Cunnilingus, gutes Wort«, sage ich. »Klingt auch italienisch irgendwie. Herr Ober, einen Chianti bitte und eine Lasagne, und als Nachtisch Cunnilingus. «
    Ich lache. Sie lacht auch.
    Â»Und woher weißt du das alles, bist du in der Mafia organisiert, in der Cosa Mosella oder so?«
    Â»Machst du dich etwa über mich lustig?«
    Â»Niemals.«
    Â»Wollte ich dir auch nicht geraten haben. Ich hab neulich ein Buch über die Mafia gelesen.«
    Ich wälze mich auf die Seite. An ihren Rücken. Küsse sie.
    Â»Ein Leben mit Gesetzen beim Sex. Da darf man gar nicht drüber nachdenken, sonst kriegt man ganz schwere Schultern.«
    Â»Schwere Schultern?«, fragt sie.
    Â»Ja. Schwere Schultern«, sage ich.
    Â»Verstehe«, sagt sie. Aus ihrem Mund klingt es nicht abwertend, es bedeutet nicht Ach Gottchen, ich spar mir den Kommentar , sondern Ich verstehe, was du meinst .

    Ein Höchstmaß an unsentimentaler Empathie. Weder schneidend noch streichelnd, sondern berührend im allerbesten Sinn.
    Â 
    Du verstehst alles. Du bist einer der wachsten und klügsten Menschen, die ich jemals getroffen habe. Seit der kurzen Zeit, in der ich dich kenne, hast du noch nichts Blödes von dir gegeben. Nicht mal etwas Banales oder Uninteressantes.
    Was machst du hier?
    Warum versauerst du hier in diesem Nest, mit diesem netten, langweiligen Kerl? Warum um Himmels willen machst du dich kleiner, als du bist?
    Du bist zu gut für diesen Ort.
    Du könntest überall sein.
    Du könntest alles haben.

15
    Ich bin nackt, und ich bin allein. Um kurz nach fünf bin ich schon mal aufgewacht, und sie war weg. Ich habe mir die Socken ausgezogen und mich zugedeckt.
    Jetzt ist es kurz nach zehn. Die Balkontür steht offen. Sie hat noch für Frischluftzufuhr gesorgt, bevor sie gegangen ist.
    Oder habe ich das alles nur geträumt?
    Ihre Sonnenbrille liegt nicht mehr auf dem Balkontisch. Auch ihr Weinglas steht nicht mehr dort. Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass sie hier war. Ich rieche an dem Bettlaken. Es riecht nach Sex. Aber ob es nach Judith riecht, kann ich nicht sagen. Vielleicht ist es nicht mal Sex, den ich rieche, sondern nur ganz ordinärer Schweiß. Es liegen auch keine benutzten Kondome herum.
    Aber ich bin ja nicht blöd, natürlich war sie hier. Sie war hier, und wir haben miteinander geschlafen, zweimal. Und nicht nur das, wir haben uns auch geküsst. Ich habe ihren Rücken gestreichelt. Und ihr gesagt, dass ich sie mag.
    Genau so habe ich das gesagt: »Ich mag dich.«
    Zur Freundin meines Gastgebers.
    Ich muss eingeschlafen sein, während ich auf eine Antwort gewartet habe.
    Â 
    Im Badezimmerspiegel kontrolliere ich mein Gesicht. Meinen Hals, meinen Nacken.

    Irgendwelche Knutschflecke, Kratzer oder

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