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Was kostet die Welt

Titel: Was kostet die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nagel
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so?
    Nichts.
    Nur die Unterlippe ist ein bisschen dick. Judith hat beim Küssen ein paarmal ganz schön reingebissen. Eine gute Küsserin, muss man sagen. Bis gestern Abend war sie für mich ein irgendwie geschlechtsloses Wesen, und dann so was. Wie eine ausgehungerte Hyäne ist sie über mich hergefallen. Kein bisschen schüchtern oder verklemmt. Im Gegenteil. Fordernd war sie, selbstbewusst und bestimmend.
    Das mit der Lippe sieht man zum Glück kaum, wenn man es nicht weiß. Trotzdem ist mir nicht ganz wohl dabei, jetzt zum Frühstück zu gehen. Könnte sein, dass ich Judith treffe. Vielleicht ist Flo schon zurück.
    Natürlich werde ich die beiden früher oder später treffen. Aber jetzt geht das nicht, das wäre einfach zu viel für mich. Besser erst nochmal hinlegen und abwarten, runterkommen, mich beruhigen.

    Das Käsebrötchen schmeckt wie ein alter Reifen. Ich spüle den matschigen Klumpen mit einem großen Schluck Kaffee runter. Die dritte Tasse. Mein Blick fällt auf ein altes Transistorradio, das unter dem Hirschgeweih auf einem Schrank steht und mir gestern beim Mittagessen gar nicht aufgefallen ist. So eins habe ich als Möbel im Schlafzimmer. Ich weiß gar nicht, ob das noch funktioniert.
    Flo und Judith sitzen mir gegenüber. Ich wollte eigentlich nur zum Dorfladen, um mir was zu essen zu holen, da kam Flo aus dem Haus gestürmt.
    Â»Moin moin, der Herr!«, rief er mit seinem norddeutschen Slang. »Du hast auch noch nichts gegessen, oder? Ich
bin eben erst wiedergekommen, wir nehmen gerade ein spätes Frühstück ein, setz dich doch dazu!«
    Judith blickte nur kurz von ihrer Zeitung auf und wünschte mir ausdruckslos einen guten Morgen, als ich reinkam. Als wäre nichts gewesen. Ich hatte nicht unbedingt erwartet, dass sie mir um den Hals fällt oder mich mit den Worten »toller Fick gestern Nacht« begrüßt. Aber dass sie mich weder richtig ansieht noch wegschaut, dass sie also ganz normal distanziert ist, wie vor drei Tagen am Bahnhof, als sie nicht mal aus dem Auto ausgestiegen ist, um mich zu begrüßen, das schockiert mich doch ein wenig.
    Ich versuche erst mal, mir nichts anmerken zu lassen. Blättere in dem Teil der Zeitung, den sie schon gelesen hat. Der Lokalteil des Trierischen Volksfreunds . Was für ein Name für eine Zeitung.
    Â»Das ist unser Käseblatt hier. Die einzige Tageszeitung in der Gegend. Früher gab’s noch eine andere aus Trarbach, aber die wurde vor Jahren eingestellt«, sagt Flo.
    Dann erzählt er von gestern. Vom Stau auf der A 1 und dass die Osnabrücker gar nicht mehr aufhören wollten, Wein zu probieren, und am Ende ziemlich gut bestellt haben, zweiundsiebzig Flaschen insgesamt, weswegen er jetzt auch so gute Laune hat, und heute Morgen sind sie dann extra früh aufgestanden und zurückgefahren, als die Autobahn noch nicht so voll war, und alles in allem ist das ein lohnenswerter Trip gewesen, eine gute Investition in den Betrieb und ein Erfolgserlebnis für ihn als jungen Winzer, der Wein vom letzten Jahr, der erste Jahrgang, an dem er aktiv mitgewirkt hat, und dass das letzte Jahr klimatisch schwierig war, der viele Regen, die viele Säure, mehr als in den Jahren zuvor, die Weißweintrinker sind heutzutage viel weniger Säure gewohnt, früher waren vierzehn Gramm üblich,
mittlerweile nur noch die Hälfte, na jedenfalls - er holt tief Luft, lässt seine Zunge wie eine gierige Schnecke über die ausgetrockneten Lippen huschen - trotz alledem ist der Wein super angekommen, und das ist so ein gutes Gefühl, die Bestätigung, der Zuspruch, die direkte Reaktion der Kunden, wie begeistert die waren, ein Zeichen, dass die Arbeit sich lohnt und der Aufwand goutiert wird, dass sie als Betrieb auf dem richtigen Weg sind und es die richtige Entscheidung war, das Studium abzubrechen und Winzer zu werden, allein für diese Erkenntnis hat sich der Ausflug in den Norden gelohnt …
    Â 
    Â»Und du, was hast du noch so gemacht?«, sagt er nach einer halben Ewigkeit, in der ich mich schon frage, ob er mir mit seinem Vortrag noch irgendetwas anderes sagen will: Schau her, was ich Großes leiste und wie sehr ich mit mir im Reinen bin und was für ein Kunstwerk mein Gesöff ist. Und du, was machst du so, was hast du in deinem Leben erreicht, du mieser kleiner Hauptstadtwirt?
    Â»Och«, sage ich so beiläufig wie möglich. »Ich

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