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Was kostet die Welt

Titel: Was kostet die Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nagel
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nicht.«
    Â»Also wenn du willst, hol ich noch eine, oder …«
    Â»Oder was?«
    Ich versuche ihrem Blick standzuhalten, aber ich schaffe es nicht.
    Â»Ach, nichts.«
    Â»Schon wieder ach, nichts ?«
    Ich senke den Kopf und grinse. Als ich ihn wieder hebe, erscheint mir Judiths Gesicht viel näher als vorher. Es ist einer dieser winzig kurzen Momente, die man nicht steuern kann. Wo das kleinste Zucken der Augen entscheidet, was passiert und was nicht passiert.
    Sie sieht mir in die Augen. Ich sehe ihr in die Augen.
    Â»Aller guten Dinge sind drei«, sagt Judith, und auf ihrem Gesicht erscheint nun ein ganz leichtes Grinsen. Es dauert einen kurzen Moment, bis ich verstehe. Im nächsten Augenblick hat sie auch schon ihren Mund auf meinem.

    Der Himmel ist tiefblau. Es ist ganz still. Meine Hand liegt auf der Taille einer Frau, die eigentlich einem anderen gehört. Der uns aber jetzt nicht stören kann.
    Es ist der perfekte Moment. Man müsste ihn einfrieren und abrufbar machen. Für den Fall, dass man mal jemandem den Begriff »Der perfekte Moment« erklären muss.

    Â»Tut mir leid, ich muss jetzt eine rauchen.«
    Â»Nur zu.«
    Â»Ich kann auf den Balkon gehen, wenn es dir lieber ist.«
    Â»Ach was. Bleib gefälligst hier. Und gib mir auch eine.«
    Â»Du rauchst?«
    Â»Nicht mehr. Na ja, hin und wieder mal eine.«
    Ich fische zwei Zigaretten aus der Schachtel, zünde beide an und gebe ihr eine. Wir liegen auf dem Rücken und rauchen gegen die Schräge. Ich bin nassgeschwitzt und nackt, bis auf die Socken.
    Es ist heiß im Zimmer. Judith hat die Balkontür geschlossen, als sie mich an der Hand ins Zimmer zog. Wahrscheinlich, damit uns niemand hört. Das Bett hat ziemlich geknarzt, ich weiß nicht, wie laut wir waren. Ist mir auch egal.
    Alles egal gerade. Die angenehme Form von egal.
    Ich fühle mich so leicht wie seit langem nicht mehr.
    Â 
    Â»Ich hab ihm zuliebe aufgehört«, sagt sie und atmet eine große Wolke Rauch aus.
    Â»Flo zuliebe?«
    Â»Wer denn sonst, du Dussel.«

    Â»Hast du deswegen so böse geguckt, als ich mir auf der Fahrt vom Bahnhof im Auto eine angesteckt habe?«
    Â» Zwei hast du dir angesteckt, direkt nacheinander! Und ich habe nicht böse geguckt. Ich war nur ein bisschen perplex. Flo hat es immer gehasst, wenn ich geraucht habe. Nirgendwo durfte ich rauchen, schon gar nicht im Auto. Letztes Jahr habe ich aufgehört, weil es wirklich keinen Spaß mehr gemacht hat.«
    Â»Das glaube ich.«
    Â»Er hat mir sogar mal einen Anti-Raucher-Aschenbecher zum Geburtstag geschenkt.«
    Â»Einen was?«
    Â»Einen Anti-Raucher-Aschenbecher. So ein schwarzes Ding in Form zweier Lungenflügel.«
    Â»Ist ja widerlich!«
    Â»Ja.«
    Â»Igitt!«
    Â»Ja. Und dann kommt irgend so ein Penner aus Berlin daher und qualmt ihm die Karre voll. Und was sagt er: Klar, kein Problem. «
    Â»Hey, wen nennst du hier Penner !«
    Â 
    Ich kneife ihr in den Hintern. Sie zuckt und lacht. Am Ende des Bettes liegt ihr Schlüpfer. Es ist ein schöner Schlüpfer aus Baumwolle, mit bunten Streifen und einem dünnen weißen Gummizug. Wenn man in einem Lexikon nach dem Begriff »Schlüpfer« sucht, ist da bestimmt eine Abbildung von diesem Schlüpfer.
    Je nackter Judith wurde, desto besser war sie gekleidet. Mir fallen Raupe und Schmetterling ein, Aschenputtel, das hässliche Entlein, Märchen und Hollywoodfilme. Wahnsinnig peinlich, was ich mir hier für einen Quatsch zusammendenke,
aber es ist nun mal wirklich so, als würde unter den Schichten von Unscheinbarkeit ein ganz anderes Wesen schlummern.
    Das Beste ist ihr Rücken, den sie mir jetzt zugedreht hat. Er ist mit Hunderten von Sommersprossen übersät, die mit einer geraden Linie kurz über dem Steißbein aufhören. Der Hintern dagegen ist schneeweiß.
    Â»Da hat der liebe Gott vergessen zu tapezieren«, sagt sie und lacht.
    Es sind irre viele Sommersprossen. Tausende. Die müsste man eigentlich mal zählen. Ich frage mich, ob das schon mal jemand gemacht hat. Flo, oder der Typ vor ihm, wer immer das war.
    Als ich sie vor etwas mehr als achtundvierzig Stunden kennengelernt habe, hätte ich ihr so was niemals zugetraut. Und außer der Konversation auf dem Balkon habe ich wirklich nicht viel dazu beigetragen. Sie hat mich als Erstes geküsst. Mich zum Bett geführt, die Tür geschlossen. Erst sich,

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