Was macht der Fisch in meinem Ohr
l’Homme«, wurde häufig Ministerin für droits humains genannt (und nannte sich selbst auch so).
Es zeichnet sich ab, dass die neue Verwendung von humain im Französischen die zweite darin enthaltene Bedeutung »human« in das verwandte Wort humanitaire verschiebt und es zu einem kleineren Umbau der lexikalischen und semantischen Umgebung kommt.
Unterstützt von San Marino, dem kleinsten Mitglied der Vereinten Nationen, fördert die UN-Menschenrechtskommission die Übersetzung und Verbreitung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte in alle Sprachen. Derzeit liegt sie in über 300 Übersetzungen vor, von Abchasisch bis Zulu, und schon jetzt ist deutlich erkennbar, dass – bis auf wenige Ausnahmen wie der russischen – nicht das Französische als Quellsprache für die Übersetzung dient, sondern das Englische.
Den geistigen, politischen, moralischen und sonstigen Folgen nachzuspüren, die es hat, wenn für das semantische Feld »des Menschlichen« in allen Sprachen nur noch eine Wendung zur Verfügung steht, würde den Rahmen dieses Buchs sprengen. Geschichte und Gegenwart der Übersetzung von »Menschenrechte« liefern jedoch eindeutige Belege dafür, dass das internationale Recht tendenziell eine eigene Rechtssprache erzeugt. Und in diesem, zweifellos typischen Fall orientiert sich die Sprache des internationalen Rechts – in welcher sie auch ausgedrückt sein mag – zunehmend an den Sprachnormen des Englischen.
Man könnte es für eine Rache der Geschichte halten, lebte man in England doch viele Jahrhunderte lang unter der Knute des französischen Rechts. Französisch war die Rechtssprache, die mit der normannischen Eroberung 1066 eingeführt, aber nur von der herrschenden Klasse verstanden wurde. Dennoch blieb sie im Gerichtswesen jahrhundertelang weiter in Gebrauch, trotz oder vielleicht wegen des Umstands, dass die Bevölkerungsmehrheit nicht die geringste Ahnung hatte, was da verhandelt wurde. Das Französisch des Rechts konnte in den 600 Jahren seiner Geltung nicht gänzlich immun gegen Ansteckung von unten bleiben und übernahm Wendungen, Wörter und grammatische Formen aus der eigentlich dominierenden Sprache. Im 17. Jahrhundert war die offizielle Sprache der englischen Justiz zum Franglais geworden.
Probleme ganz anderer Art tun sich auf, wenn ein Gericht nicht nur Beschuldigte strafrechtlich verfolgen will, die eine andere Sprache sprechen, sondern wenn dies im Rahmen einer Gerichtsbarkeit mit länderübergreifender Zuständigkeit geschieht. Die Vorstellung von einem internationalen Recht – allgemeingültigen Normen gesetzmäßigen Verhaltens, die nicht von einem souveränen Staat allein festgelegt werden –, ist noch sehr neu. Sie entstand als entsetzte Reaktion auf das Leiden der Soldaten im Krimkrieg von 1853 bis 1856 und nahm in den verschiedenen Genfer Konventionen über zulässige Mittel und Methoden der Kriegsführung erstmals Gestalt an. Die erste bedeutende Institution, die auf dem ideellen Fundament eines internationalen Rechts gründete, war der kurz nach dem Ende des Ersten Weltkriegs geschaffene Völkerbund. Doch erst nach dem Zweiten Weltkrieg und in Kenntnis der unbeschreiblichen Verfolgungen, die Nazideutschland ins Werk gesetzt hatte, waren die souveränen Staaten schließlich dazu bereit, auf ihre historischen Privilegien zu verzichten und sich einer für alle gültigen Gerichtsbarkeit zu unterwerfen.
Die besondere Bedeutung des Übersetzens zeigte sich auch bei den Nürnberger Prozessen, die im November 1945 vor dem Internationalen Militärgerichtshof begannen. Im Vorfeld musste man zunächst eine allgemeine Prozessordnung erarbeiten, nach deren Statuten die Verfahren geführt werden sollten, und das war keine leichte Aufgabe. Die nationalen Rechtssysteme der beiden Siegermächte England und Amerika fußten auf dem Gewohnheitsrecht; in den beiden anderen Siegerländern Frankreich und der UdSSR galten wie im besiegten Deutschland jedoch andere, wenn auch verwandte Systeme des bürgerlichen Rechts (römischer oder kontinentaler Tradition). In diesen Rechtssystemen dürfen Beschuldigte sich nur am Beginn und am Ende des Gerichtsprozesses äußern, haben aber in allen anderen Teilen ihres Verfahrens kein Rederecht. Sie sitzen gesondert und dürfen keiner weiteren Befragung unterzogen werden; dies obliegt ausschließlich der Untersuchungsbehörde, die die Anklagevertreter informiert. Nach angloamerikanischem Gewohnheitsrecht gilt ein Angeklagter aber bis zur Feststellung
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