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Was mit dem weißen Wilden geschah - Roman

Was mit dem weißen Wilden geschah - Roman

Titel: Was mit dem weißen Wilden geschah - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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ihn durcheinander:
    «Man darf nicht darüber reden?»
    «Man prahlt nicht derart damit. Normalerweise wünscht die Dame nicht, dass das Ganze bekannt wird, und man sollte diskret sein.»
    «Ich darf es sagen, aber diskret.»
    «Das ist nicht immer so. Unter engen Freunden oder Kameraden kann man sich das erzählen. Aber es ist … unterhaltsamer, es nur zu verstehen zu geben und nicht zu deutlich zu werden.»
    «…?»
    «Anstelle der Geste, die du eben gemacht hast, genügt ein erhobener Daumen oder ein Augenzwinkern.»
    Ich machte ihm diese verschwörerischen Gesten vor. Er übte sie ein und meinte dann:
    «Und hast du hier auf dem Schiff oder in Sydney gevögelt?»
    Sie mögen mir verzeihen, Monsieur le Président, dass ich diese Unterhaltung in ihrer ganzen Vulgarität wiedergebe. Sie haben mir empfohlen, alles aufzuzeichnen: Anstand soll wissenschaftlicher Präzision nicht im Wege stehen – und Sie werden die Bedeutung dieses Grundsatzes begreifen, falls Sie die Güte haben, meine Zeilen bis zum Ende zu lesen.
    Ich erklärte Narcisse, dass man nicht derart direkte Fragen stelle, und dass ich ihm nicht darauf antworten würde.
    «Wir sind aber doch enge Freunde und Kameraden?»
    Mich brachte sein Unverständnis aus der Fassung, und so lächelte ich und beruhigte ihn in diesem Punkt. Er spürte meine Zurückhaltung und entschied – überraschend feinfühlig –, nicht weiter zu insistieren.
    «Ich habe in Sydney nicht gevögelt. Hatte keine Lust.»
    Was sollte die Aussage? Hatte ihm die Waschfrau etwa Avancen gemacht? Ich konnte mich nicht zurückhalten und fragte ihn, was er damit sagen wolle.
    «Wir sind im gleichen Haus. Bill winkt mich in sein Zimmer. Dort legt er seine Hand auf meinen Bauch und darunter. Ich frage ihn, warum. Er macht Zeichen, dass er mich vögeln will. Ich sage Nein. Ich gehe aus seinem Zimmer.»
    Diese Enthüllung traf mich wie ein Blitzschlag. Ich hatte einem Zwangarbeiter mein Vertrauen geschenkt, ihn aus der Sträflingskolonie geholt und in meine Dienste genommen, und er hatte nichts Besseres zu tun gehabt, als schändlichstes Laster unter mein Dach zu bringen. Und er suchte sich dafür Narcisse aus, der sich am allerwenigsten wehren konnte! Ein derartiges Maß an Undank und Ruchlosigkeit machte mich zornig – auch wenn ich mir ausmalen kann, wie es in den Gefängnissen zugeht. Ich warf mir aufs Bitterste meine Gutgläubigkeit vor und bedauerte, Narcisse einem solchen Ereignis ausgesetzt zu haben. Ich hatte mich damit einverstanden erklärt, ihn in meine Obhut zu nehmen, und mit jedem Tag wird mir das Ausmaß dieser Verpflichtung deutlicher.
    Bills unsittliches Betragen verlangte nach langen Erklärungen, und eine Unterhaltung zu diesem Thema war ganz und gar nicht in meinem Sinne. Weil mir die Zeit für eine angemessene Antwort fehlte, begnügte ich mich mit einem einfachen Satz:
    «Das hast du gut gemacht.»
    Vor Bestürzung über Bills Verdorbenheit, die somit ans Licht gekommen war, übersah ich den wichtigsten Aspekt bei der Unterhaltung. Narcisse hatte ein neues Wort verwendet: «Ich habe die Engländerin gevögelt.»
    Von mir hat er dieses Verb gewiss nicht. In Sydney und auch an Bord wurde nur Englisch gesprochen. Hatte es ihm seine neue Freundin beigebracht?
    Ich beschloss, der Sache auf den Grund zu gehen, selbst wenn ich dabei einen Skandal riskierte. Als ich ihr später auf einem Gang begegnete, fragte ich im Tonfall von «Wie ist es, haben Sie gut geschlafen?»: «Wie ist es, haben Sie meinen Freund gevögelt?» Wederbekam ich eine Ohrfeige, noch wurde mir eine Beleidigung an den Kopf geworden, sondern sie bat mich, die Frage auf Englisch zu wiederholen. Ich entschuldigte mich für meine Schusseligkeit, erfand irgendetwas Belangloses und ging meines Weges. Sie konnte es also nicht gewesen sein.
    Narcisse musste dieses vulgäre Wort spontan wieder eingefallen sein – als Matrose hatte er es jeden Tag sicher unzählige Male ebenso wie Flüche und Prahlereien in den Mund genommen, ohne sich etwas dabei zu denken. Stolz auf sein Liebesabenteuer und begierig, mir davon zu erzählen, holte er es aus den Tiefen seines Gedächtnisses herauf. Vielleicht hatte es vor diesem noch andere gegeben, die mir nicht aufgefallen waren, weil sie weniger spektakulär waren. Er lernt das Französische mithin nicht allein von mir – hätte er wirklich alles vergessen gehabt, wären seine Fortschritte auch wahrlich unglaublich –, sondern er entdeckt es wieder, auch ohne mein Zutun.
    Die

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