Was mit Hass begann
sah er, wie dieses Weib, das gegen ihn nur eine halbe Portion war, halb hinter Sandy versteckt, ihn angrinste. Kane wagte es nicht, Ruth anzusehen. Er war tief verlegen, schämte sich und stand mit hängenden Schultern da.
Mit einem weiteren vorwurfsvollen Blick auf Kane legte Sandy der Frau den Arm um die Schultern und verließ mit ihr das Haus. Sie ließ sich willig wegführen und schwenkte triumphierend ihr kleines rundes Hinterteil.
4
Sandy mußte zugeben, daß Kanes Verhalten ihn erschreckt hatte. Er kannte den Mann von Kindesbeinen an. Kane und sein Zwillingsbruder Mike waren stets die nettesten, freundlichsten Kinder gewesen, immer hilfsbereit, wenn sie irgendwo gebraucht wurden. Wurde ein Pferd krank, schliefen sie bei ihm im Stall. Sie weinten um jeden Hund, der von einer Schlange getötet worden war. Aber die Jungen lachten auch gern mit ihren Spielgefährten. Sie waren glücklich und wollten ihr Glück mit anderen teilen.
Als Sandy ins Haus kam und miterlebte, wie Kane einer sehr hübschen, sehr kleinen Frau an die Gurgel gehen wollte, hatte er deshalb zuerst nicht gewußt, wie er reagieren sollte. Am verwunderlichsten war für ihn, daß sich Kane überhaupt zu einem so heftigen Übergriff hinreißen ließ. Seit seine Frau vor fünf Jahren gestorben war, schien er sich immer mehr in sich selbst zu verkriechen. Nichts konnte ihn wütend oder traurig machen, nichts bereitete ihm Freude, Enttäuschung oder Langeweile - es sei denn, es handelte sich um seine Söhne. Abgesehen von dieser Ausnahme schien ihn nichts auf der Welt mehr zu berühren.
Pat hatte Sandy von ihrem Vorhaben mit den vier Frauen berichtet. Auch daß sie schon eine von ihnen als zukünftige Frau ihres Sohnes ausgewählt hatte. Sandy hatte darüber nicht gelacht. Er hatte immer gehofft, daß irgend etwas oder irgend jemand Kane wiedererwecken würde. Und wenn eine Witwe das vermochte, war ihm jedes Mittel, auch das der Täuschung, recht, wenn es nur seinen Zweck erfüllte.
So hatte er erwartet, daß Kane die schöne Witwe anhimmeln würde. Aber doch nicht, daß er wutentbrannt ein freches kleines Mädchen über Stühle und Tische hinweg verfolgte! Sandy stand vor einem Rätsel. Und seine Neugier war erwacht.
»Sind Sie es, die die Schlange erschossen hat?« fragte er das Mädchen, das schweigsam neben ihm herging. Sie war ein hübsches kleines Ding mit blonden Haaren und blauen Augen. Und hätte er sie nicht gerade in voller Aktion erlebt, hätte er sie eher für still und scheu gehalten.
»Ja - und die dann verrückt gespielt hat«, sagte sie gepreßt. Dabei zuckten ihre Schultern leicht, und Sandy hatte den Eindruck, sie wolle sich vor ihm rechtfertigen.
»Wollen Sie mir erzählen, was vorgefallen ist?«
»Eigentlich nicht«, entgegnete sie.
Doch Sandy wollte auch die andere Seite hören und war entschlossen, den wahren Sachverhalt herauszufinden. »Kane sagt, Sie hätten ihn beinahe erschossen. Und danach seien Sie hysterisch geworden. Schießen Sie immer um sich und werden dann hysterisch?«
Er mußte sich das Lachen verbeißen, als er merkte, daß sie den Köder geschluckt hatte. Ihr hübsches kleines Gesicht wurde erst rosa, dann beinahe purpurrot.
Schließlich brach es aus ihr heraus: »Ich habe diesem undankbaren Weib das Leben gerettet!« Und sie erzählte Sandy, daß Kane den schweren Koffer in den Händen gehalten und sie geglaubt habe, daß die Schlange Ruth beißen würde, wenn sie nicht schnell handelte.
Sandy hörte aufmerksam zu und lächelte nicht mehr. Kane hatte ihm den Eindruck vermittelt, die Frau wäre übergeschnappt. Aber ihre Rechtfertigung klang einleuchtend. Es schien tatsächlich, als habe sie Ruth das Leben gerettet. »Und danach?« fragte er leise. »Haben sie sich da gefürchtet? Waren Sie übererregt?« Das hätte er durchaus verstanden. Sie wandte den Kopf zur anderen Seite. Wieder war sie über und über rot geworden, aber diesmal nicht aus Zorn, sondern weil ihr die Sache peinlich war. Er merkte, wie sie überlegte, ob sie ihm die Wahrheit sagen solle oder nicht. So wartete er geduldig ihre Entscheidung ab.
Sie stieß einen tiefen Seufzer aus und sagte dann: »Na ja, äh ... wenn mein alter Herr früher mal auf mich wütend war, dann hat er mich... äh, sozusagen verprügelt. Und als Ihr Cowboy mich jetzt anfaßte, da hat mich das wieder an diese Zeit erinnert, und ich bin ein bißchen ausgerastet.«
Danach schaute sie ihn kampflustig an, als wolle sie ihm drohen: Wage es nur nicht, etwas
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