Was mit Rose geschah
Chris.«
Ich trinke von meinem Bier. Ivo schält mit gebeugtem Rücken Kartoffeln und wäscht sie in einer Stahlschüssel.
»Ihr Vater hat gesagt, Ihre Onkel und Brüder seien daran gestorben. Sie haben unglaubliches Glück gehabt, Ivo.«
»Ja.«
»Ein medizinisches Wunder. Die Ärzte dürften sich sehr dafür interessieren, warum Sie gesund geworden sind.«
Ivo wirft eine Kartoffel in die Schüssel, dass das Wasser an ihm hochspritzt.
»Ist sonst noch jemand gesund geworden?«
Einen Moment lang herrscht Stille.
»Ich glaube, einer meiner Onkel – Dads Onkel. Ich habe ihn nicht kennengelernt. Es ist ewig her.«
»Und es sind nur Männer, die an der Krankheit leiden, nicht wahr?«
Nächste Pause. »Ich bin mir nicht sicher. Ich glaube schon.« Er murmelt es widerwillig in den Kochtopf hinein.
»Nun, ich weiß, dass Gavin sehr daran interessiert ist, der Sache auf den Grund zu gehen.«
Ivo schneidet die Kartoffeln in Stücke und wirft sie ins kochende Wasser. Dann dreht er sich zum ersten Mal um. »Ich bin froh, dass Sie Christo zu ihm gebracht haben. Das sind wir alle. Wirklich dankbar.«
»Na ja, wenn die Ärzte erst einmal wissen, woran er leidet, können sie ihm sicher helfen.«
Er versucht zu lächeln. »Ich muss schnell was bei Dad holen.«
»Okay.«
Als ich allein bin, atme ich tief durch. Es ist ein schwerer Kampf, ihn zum Reden zu bringen. Es tut ihm anscheinend weh, über die Krankheit zu sprechen, und er wirkt ungeheuer schüchtern. Ich öffne die nächste Chipstüte und ein zweites Bier – Ivo scheint nicht viel zu trinken – und überlege mir, wie ich das Gespräch auf Rose bringen kann.
Nach ein paar Minuten kommt Ivo zurück und nimmt wieder seine Position an der Arbeitsplatte ein. Wir trinken schweigend.
»Fast fertig«, verkündet er.
»Ich muss noch kurz raus«, sage ich.
Auf der Lichtung wird es dunkel, doch am Himmel hängt noch ein sanfter goldener Schein. Es ist still und feucht draußen. Unter den Bäumen hört man keine Vögel und keine Geräusche aus den anderen Wohnwagen. Ich gehe ein kleines Stück und finde eine Erdtoilette zwischen den Bäumen, die mit einer grünen Plane bedeckt ist. Das ist mehr, als ich erwartet hatte. Ivo hat eine Metallkanne mit Wasser vor den Wohnwagen gestellt, damit man sich die Hände waschen kann. Er hat sie mir vorhin gezeigt. Mein Großvater hat es genauso gehalten. Ich gieße mir das kalte Wasser über die Hände und hoffe, dass es reicht.
Ich bin vielleicht vier Minuten draußen gewesen.
Als ich wieder hineingehe, sitzt Ivo schon an dem kleinen Tisch. Er hat uns zwei Gläser braunen Rum eingeschenkt und Essen auf die Teller geschöpft. Ich setze mich. Er hebt sein Glas, um mit mir anzustoßen.
»Auf die Gesundheit.«
»Sehr gut. Auf die Gesundheit.«
Ich stoße mit ihm an und trinke den Rum. Mir schießen Tränen in die Augen – hochprozentig und billig, wie für Seeleute. Ivo kippt seinen hinunter und kneift kurz die Augen zusammen.
Wir essen.
»Das schmeckt gut«, sage ich, und es ist auch wirklich nicht übel. Ivo hat das Licht in der Küche ausgeschaltet, so dass wir im Halbdunkel sitzen. Ich nehme an, sie schalten den Generator nur in dringenden Fällen ein. Er isst, als wäre er am Verhungern, mit gesenktem Kopf. Er taucht eine Scheibe Brot in den Eintopf, faltet sie zweimal und steckt sie in den Mund. Er hat seinen Teller fast geleert, bevor er wieder spricht.
»Ich hatte eine Schwester. Christina. Sie hat ihr Leben für mich gegeben.«
Ich starre ihn an – das hat er vermutlich beabsichtigt. »Ich dachte, sie wäre bei einem Verkehrsunfall gestorben.«
Ivo zuckt mit den Schultern. »Wäre es das nicht gewesen, dann eben etwas anderes.« Es klingt beiläufig, als spräche er über das Wetter.
»Das verstehe ich nicht.«
Ivo kaut auf einem Stück Knorpel, nimmt es aus dem Mund und inspiziert es. »Dad wollte ein Wunder. Für mich. Aber dafür muss man bezahlen. Ein Leben für ein anderes, nicht wahr? So steht es in der Bibel.«
»Hm, nicht ganz so, glaube ich.«
»Es stimmt aber. So hat es sich gefügt. Nur einer von uns konnte überleben.«
»Ich nehme an … man könnte es so betrachten, aber …«
Ivo legt den Löffel weg und zündet sich eine Zigarette an, ohne mich anzusehen. Ich wende mich gereizt ab. Mir ist ein bisschen übel.
»Dad wusste, er würde noch ein Kind verlieren. Er wusste es. Und … Ivo Janko war der Letzte. Der Letzte dieses Namens. Und ich muss ihn weitergeben.«
Ich finde, dass das ein
Weitere Kostenlose Bücher