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Was mit Rose geschah

Was mit Rose geschah

Titel: Was mit Rose geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stef Penney
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liebsten magst.«
    »Danke, Mama.«
    Ich biete ihnen von den Trauben an.
    »Nein, die sind für dich. Du fällst uns sonst vom Fleisch.«
    Trauben sind etwas Besonderes, Mama muss sie unten im Laden gekauft haben, der wirklich teuer ist. Soweit ich weiß, hat sie noch nie Trauben gekauft; die habe ich nur ein paarmal in der Schule gegessen. Bei Katie zu Hause lag ein ganzer Berg, violett und wie beschlagen, sie quollen über einen Glasteller auf der Frühstückstheke. Oder war es der Teetisch? Sie sahen so perfekt und künstlich aus, dass ich mich nicht traute, sie anzufassen.
    »Ist er nicht noch mal zurückgekommen?«, fragt Mama. »An dem Tag, an dem ich JJ besucht habe. Wozu eigentlich?«
    Großonkel zuckt mit den Schultern. »Keine Ahnung. Ich glaube, es ging um Christo. Er war nicht lange da.«
    »Anscheinend hat er sich mit Ivo angefreundet. Das ist doch nett, oder?« Mama zwinkert mir zu. Großonkel räuspert sich.
    »Mr Lovell war noch mal auf dem Stellplatz?«, frage ich.
    Großonkel sieht mich scharf an und wendet sich ab. »Ja, das ist doch sein Job, oder?«
    Doch er wirkt angespannt. Ich habe wieder dieses Gefühl, das ich schon vor Mr Lovells Zimmer hatte, dieses Kribbeln, das einem kalt den Rücken hinaufkriecht.
    »Liebling? Alles in Ordnung mit dir? Du bist ganz blass geworden.«
    Die Sache ist die, es gibt noch ein anderes Wort für chovihano .
    Mama beugt sich über mich und streicht mir das Haar aus der Stirn. »Deine Haare sind zu lang geworden, du siehst bald aus wie ein richtiger Hippie. Bist du müde? Möchtest du schlafen?«
    »Hm, ja.«
    Sie küsst mich auf die Stirn und macht ein gurrendes Geräusch. Ich habe Angst, ich könnte weinen, also kneife ich die Augen zu. Ich wünschte, ich könnte es einfach genießen. Ich wünschte, ich wäre wieder ihr Baby, ein Junge, der noch zu klein ist, um Dinge zu sehen, und zu jung, um sich Sorgen zu machen, aber das bin ich nicht und werde es auch nie wieder sein.
    Ich weiß zu viel und bin mir ziemlich sicher, dass es nur schlimmer werden kann.
    Das andere Wort für einen chovihano ist drabengro und bedeutet »Mann des Giftes«.

40
    Ray
    Ich fuhr los, um Bier zu besorgen, was sich als schwierig erwies. Ich musste erst ein Pub finden, das Flaschen verkaufte, und es dauert über eine halbe Stunde, bevor ich wieder am Stellplatz ankomme. Ivo steht mit einer Zigarette in der Hand am Herd und kocht. Nachdem Rose verschwunden war, hat er wohl gelernt, sich selbst zu versorgen. Dennoch kommt es mir komisch vor – ein Zigeuner in der Küche ist ein seltener Anblick. Auf dem Tisch liegen Chipstüten, und er macht mir ein Zeichen, mich zu bedienen.
    »Morgen fahre ich wieder zu Christo«, sagt er.
    »Oh, gut. Wohnen Sie dann wieder bei Ihrer Tante?«
    »Ja. Ist praktisch.«
    »Sehen Sie sie oft?«
    »Nein. Ich habe Tante Lulu seit Jahren nicht gesehen.«
    Hört sich so an, als hätte sie nichts erzählt.
    »Christo ist ein wunderbarer Junge.«
    Ivo lächelt in seinen Topf hinein. »Ja, er ist der Beste.«
    Sein Lächeln verschwindet.
    »Sie müssen ihn sehr vermissen.«
    »Ja.«
    Ivo kratzt etwas aus einer Schüssel in den Topf. Was es ist, kann ich nicht erkennen. Dann wirft er eine Menge Salz dazu. Er rührt alles um – eine Art Eintopf. Er lehnt sich gegen die Arbeitsplatte, die Augen auf den Topf gerichtet, spricht über die Schulter mit mir und raucht dabei wie ein Schlot. Der Eintopf scheint eigentlich nicht viel Aufmerksamkeit zu brauchen,aber er lässt ihn nicht aus den Augen. Er hat etwas zu tun, und auf diese Weise kann er vermeiden, mich anzusehen – oder angesehen zu werden. Braucht nicht zu reden.
    »Sie haben nie daran gedacht, ihn in eine andere Familie zu geben? Zum Beispiel zu Ihrer Cousine?«
    Ivo wirft mir einen schockierten Blick zu und schüttelt den Kopf. Ich habe die Frage gestellt, weil Romaväter ihre Kinder nur selten allein aufziehen; es ist nicht ungewöhnlich, dass ein Witwer seine Kinder einer Verwandten übergibt.
    »Nein, daran habe ich nie gedacht«, sagt er leise. »Christo ist alles, was ich habe. Und ich verstehe ihn, ich weiß ja, wie es war.«
    »Natürlich. Sie wissen bestimmt mehr darüber als alle anderen.«
    Dass er überlebt hat, fasziniert mich. Es ist wirklich außergewöhnlich.
    »Darf ich Sie fragen, ob es schmerzhaft war?«
    Er seufzt. »Manchmal. Nicht immer.«
    »War es bei Ihnen genau wie bei ihm?«
    »Nicht so schlimm.«
    »Wie alt waren Sie, als es besser wurde?«
    »Fünfzehn … sechzehn. Viel älter als

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