Was mit Rose geschah
anderen.«
Er gibt ein Geräusch von sich, das ich nicht deuten kann, gefolgt von Schweigen. Ich trinke Tee, kaue auf dem altbackenen Keks herum und überlege, ob er merkt, dass ich ihn gerade verhöre.
»Da war sie schon lange weg.«
Das waren auch Lulus Worte: lange weg. Aber so lange kann es nicht gewesen sein, da Christo noch klein war.
»Ich kann mich nicht an den Unfall erinnern. Nur was danach war. Als man mir gesagt hat, was ich noch tun konnte und was nicht. Und ich hatte furchtbare Schmerzen. Furchtbar.« Er sieht mich vorwurfsvoll an.
»Natürlich. Das verstehe ich. Aber Sie haben es ihnen gezeigt, was? Dass Sie so leben können, wie Sie wollen.«
»Sicher. Sicher.«
»Zum Glück hatten Sie Ihre Familie um sich.«
»Dafür sind Familien doch da, oder?«
»Ja. Trotzdem … manche stehen einander näher als andere.«
»Sie denken an meine Schwester Luella, ich verstehe. Sie kann sagen, was sie will, aber sie ist immer noch eine Janko.«
Draußen ertönt ein Motorgeräusch, wird lauter und verstummt.
Tene reckt den Hals, um aus dem Fenster zu sehen. »Sehen Sie, da ist zum Beispiel Ivo. Sie lässt ihn bei sich wohnen, während der Junge im Krankenhaus ist.«
Ich spucke fast meinen Tee aus. »Er wohnt bei Lulu?«
»Ja. Natürlich. Sie wohnt am nächsten dran. In solchen Zeiten muss man seine Familie unterstützen, was auch passiert sein mag.«
Ich beiße noch mal in meinen Keks, um Zeit zu gewinnen. Warum hat sie mir nicht erzählt, dass Ivo bei ihr wohnt? Scheiße. Scheiße! Ich hätte nie die Entdeckung auf dem Black Patch erwähnt, wenn ich das gewusst hätte … Verdammt. Andererseits, warum hätte sie ihm davon erzählen sollen? Vielleicht hat sie ihn gar nicht gesehen, seit …
Draußen ertönen Schritte, und Ivo klopft kurz an die Tür. Er öffnet, ohne auf eine Antwort zu warten. Seine Silhouette zeichnet sich auf der Schwelle ab, in einer Hand hält er Einkaufstüten.
»Mr Lovell … Dad … Alles in Ordnung? Ich habe für dich eingekauft.«
»Danke, mein Junge. Stell es in die Küche.«
Ivo geht an mir vorbei und räumt den Inhalt der Plastiktüten auf die Arbeitsplatte. Noch mehr Chips, wie es aussieht. Und Fertigmahlzeiten.
»Trinkst du Tee mit uns?«
»Später vielleicht.«
Ich stehe auf. »Ich will Sie nicht weiter stören. Ich sollte besser …« Ich schaue Tene an. »Geht es Ihnen wirklich gut, Mr Janko?« Zu Ivo sage ich: »Ihr Vater hatte einen kleinen Unfall – er ist gestürzt, als er sich in den Rollstuhl setzen wollte. Es war niemand hier. Zum Glück bin ich vorbeigekommen …«
»Du bist gestürzt? Wie hast du das denn geschafft?« Er klingt gereizt.
»Alles in Ordnung, mein Junge. Du weißt, das kommt manchmal vor. Mir geht es gut«, sagt Tene mit einer wegwerfenden Handbewegung. »Mr Lovell macht aus einer Mücke einen Elefanten. Aber er war sehr freundlich. Sehr nett. Schön, dass Sie gekommen sind, Mr Lovell. Wirklich.«
Ivo sieht mich an, sein Blick jetzt steter, als nähme er michzum ersten Mal wahr. Er tritt beiseite, um mich durchzulassen, sagt dann aber: »Mr Lovell, bleiben Sie doch. Essen Sie eine Kleinigkeit mit mir. Ich möchte mich für alles bedanken, was Sie für Christo getan haben. Und mich entschuldigen … Sie wissen schon. Bitte.«
Er lächelt, wenn man es denn so nennen kann. Ich glaube, man kann es so nennen.
»Ich will nicht länger stören. Es ist wirklich nicht nötig …«
»Sie stören nicht. Bitte – bleiben Sie.«
Diesen Gesichtsausdruck habe ich noch nie bei ihm gesehen. Beinahe … warm. Ich schaue von ihm zu Tene.
Vielleicht ist das die perfekte Gelegenheit. Vielleicht lässt er die Schranken endlich fallen. Vielleicht ist das der richtige Zeitpunkt, ihnen die Neuigkeit zu überbringen.
»Wissen Sie was«, schlage ich vor, »ich fahre zum nächsten Laden und kaufe Bier. Was halten Sie davon?«
39
JJ
Heute Morgen haben sie den Schlauch aus meinem Arm gezogen, so dass ich mich frei bewegen kann. Der Arm tut noch weh, aber er ist nicht mehr ganz so heiß. Ich fühle mich fast normal. Als Emma, die nette junge Krankenschwester, den Verband gewechselt hat, gratulierte sie mir zu meiner schnellen Genesung.
Dann kam Großmutter und brachte jede Menge Essen mit, fest davon überzeugt, dass ich kurz vor dem Verhungern stand. »Für später« stopfte sie noch Chipstüten und gekaufte Wurstbrötchen in den Schrank neben meinem Bett. Im Augenblick bin ich gar nicht so hungrig, aber das habe ich ihr nicht gesagt. Sie brachte mir
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