Was mit Rose geschah
Fels.
Es ist still an diesem Mittwochnachmittag. Die Kirchentür steht offen, und wir gelangen durch einen Vorraum in eine große kalte Halle, die mit einigen Reihen gepolsterter Stühle und einem Rednerpult aus hellem Holz ausgestattet ist. Der grüne Nylonteppich knistert, so aufgeladen ist er. Die Fenster sind aus irgendeinem Grund mit Metallgittern versehen.
Hier wartet jemand auf uns. Er steht vorne am Pult, die Hände vor dem Schritt gefaltet. Er trägt einen Priesterkragen.
»Peter?«
Der Mann lächelt. Er ist jung, höchstens dreißig, hat blondes Haar und ein eckiges Kinn, ist glattrasiert und rosig. Er strahlt eine solche Ruhe und Autorität aus, dass es sich nur um den Pastor dieser Kirche handeln kann, bei dem die Damen der Gemeinde Inspiration und Trost finden.
»Vielen Dank, dass Sie den weiten Weg gekommen sind. Das wissen wir zu schätzen.« Er neigt leicht den Kopf.
Ich sehe mich um, aber wir sind mit ihm allein. Vielleicht meint er sich und Gott.
»Es tut mir leid, dass ich am Telefon nicht auskunftsfreudiger war. Bitte setzen Sie sich.«
Es spricht schnell – seine Stimme klingt energisch, sein Akzent sehr walisisch. Er deutet auf die Sitzreihen. Ich möchte mich nicht setzen, während er dort steht, so als wäre ich ein Schäfchen seiner Gemeinde. Doch er nimmt einen Stuhl und setzt sich uns gegenüber.
»Man sollte nicht glauben, dass wir August haben, was? Während der Woche wird hier drinnen nicht geheizt, das spart Geld.« Er lächelt entschuldigend. »Dürfte ich Ihre Ausweise sehen, bevor wir anfangen?«
Wir reichen ihm unsere Lizenzen. Er betrachtet sie sorgfältig und gibt sie uns wieder.
»Vielen Dank. Das alles mag Ihnen unnötig geheimnisvoll erscheinen und Sie wollen jetzt sicher hören, was ich Ihnen zu sagen habe. Wie Sie wissen, habe ich Ihre Zeitungsanzeige gelesen, in der Sie um Informationen über Rose Wood beziehungsweise Rose Janko bitten. Können Sie mir sagen, wer etwas über sie herausfinden möchte und warum?«
»Wie ich schon am Telefon sagte, ist das vertraulich.«
Peter, der Pastor, runzelt ein wenig die Stirn. »Nicht einmal den Namen? Wir vertrauen Ihnen schließlich auch etwas an. Es könnte eine Frage der persönlichen Sicherheit sein.«
»Wir versichern Ihnen, dass Ihr Name nicht genannt wird. Alle Informationen werden streng vertraulich behandelt; unser Klient möchte nur wissen, ob es … Rose gut geht. Sie werden gar nicht in die Sache hineingezogen.«
Er sieht verwirrt aus. »Ich denke da nicht an mich.«
An wen dann?
»Ich kann Ihnen versichern«, erwidere ich, während mirGeorgia Millington in den Sinn kommt, »dass niemand zu etwas gezwungen wird, das er nicht tun möchte. Es bleibt Ihnen überlassen, ob Sie meinen Klienten kontaktieren oder nicht.«
Zugegeben, mir kommt ein Hintergedanke: Wie viel Diskretion braucht ein Skelett?
Peter lehnt sich auf seinem Stuhl zurück. Er sieht vollkommen ungerührt aus, nur seine Wangen wirken etwas röter als zuvor. »Es tut mir leid, meine Herren, aber wenn Sie mir nicht sagen, wer nach Rose Wood sucht, kann ich Ihnen nicht helfen.«
Ich sehe Hen an. Er zuckt leicht mit den Schultern.
»Leon Wood hat mich aufgesucht.«
Er nickt, als hätte er damit gerechnet. »Wann?«
»Vor ein paar Monaten.«
»Wieso gerade jetzt?«
»Meines Wissens ist Mrs Wood kürzlich verstorben, ziemlich unerwartet. Ich nehme an, Mr Wood ist bewusst geworden, dass auch er nicht ewig leben wird.«
Peter sieht betroffen aus. »Ist er krank?«
»Das weiß ich nicht, Mr …«
»Reverend. Reverend Hart. Und es ist nur ihr Vater, der nach ihr sucht?«
»Mr Wood ist unser einziger Klient.«
Er nickt, legt die Hände ineinander und stützt die Ellbogen auf die Knie. Seine Hände mit den breiten blassen Nägeln sind extrem sauber und rosa, als hätte er eben noch etliche Minuten darauf verwendet, sie zu schrubben.
»Ich frage, weil Sie sicher wissen, dass Rose eine unglückliche frühe Ehe eingegangen ist. Allerdings war sie nur in den Augen der Familie verheiratet, nicht in den Augen der Kirche.«
Zum ersten Mal spüre ich eine innere Erregung. Er scheint einiges über sie zu wissen – erstaunlich. Es sei denn …
»Es war eine Episode in ihrem Leben, die sie gern für immer hinter sich lassen möchte. Einige Dinge sind so schmerzlich,dass niemand gezwungen sein sollte, sie noch einmal zu durchleben.«
Mir wird schwindlig, und es ist, als würde ich die Szene von außen betrachten. »Ich habe lediglich eine Nachricht
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