Was mit Rose geschah
schon, dass wir den Anblick des anderen ertragen konnten.«
»Also wurde die Heirat von Ihren Familien arrangiert?«
Sie nickt. »Dad war sehr darauf aus – weil es echte Romany sind. Mum war sich nicht so sicher, aber er bekam immer seinen Willen.«
Sie schluckt und schaut auf ihren Teller. Vermutlich weiß sie von ihrem Mann, dass ihre Mutter gestorben ist. Sie hält sich erstaunlich tapfer.
»Es wurde alles von Dad und Mr Janko arrangiert. Ich war kein guter Fang … mit dem hier.« Ihre Hand wandert zum Hals, und sie lächelt bitter. »Die Leute betrachteten es als ein schlechtes Omen.«
»Aha«, murmele ich.
»Und er … sicher, er sah gut aus, aber es gab diese Gerüchte. Sie versuchten, sie zu unterdrücken. Irgendeine Familienkrankheit – was es war, weiß ich nicht. Sie waren unbeliebt. Man dachte wohl, dass wir beide nichts Besseres finden würden.«
Sie trinkt von ihrem Tee, scheint sich zu sammeln. Dann wirft sie unvermutet den Kopf zurück, wobei sich ihre Frisur kaum bewegt, greift nach einem grellrosa Kuchenwürfel und lächelt mir zu. Die plötzliche Veränderung in ihrem Mienenspiel ist verwirrend. Sie schiebt uns den Teller hin.
»Möchten Sie nicht? Sie sind sehr lecker. Selbst gemacht.«
Das halte ich für unwahrscheinlich, greife aber gehorsam nach dem nächstbesten Kuchen – einem dottergelben Klumpen, der mich an einen riesigen Eiterpickel erinnert – und lege ihn auf meinen Teller.
»Die Hochzeit fand im Oktober ’78 statt?«
Sie nickt.
»Wie lange haben Sie zusammengelebt?«
»Oh … ein paar Monate. Nicht viel länger. Wir haben im Oktober geheiratet und sind dann mit ihm und seinem Vater losgefahren – nach Lincolnshire und in die Fens, glaube ich.« Sie verstummt.
»Und was geschah dann?«
Sie seufzt und beugt sich ein wenig vor. Ihr Blick ist auf die geblümte Tischdecke geheftet.
»Ich weiß, dass es Ihnen schwerfällt, darüber zu sprechen, Mrs Hart. Lassen Sie sich Zeit.«
Es entsteht ein längeres Schweigen.
»Er wollte nichts mit mir zu tun haben.«
»Sie meinen Ivo?«
»Es begann am Tag nach der Hochzeit. Als wir alleine waren, konnte er meinen Anblick nicht ertragen. Er sprach kaum mit mir. Ich wusste nicht, was ich falsch gemacht hatte.«
Ihre Stimme klingt so leise, dass Hen und ich uns vorbeugen müssen.
»Wir hatten einen eigenen Wohnwagen, aber er verbrachte die meiste Zeit bei seinem Dad. Wenn ich ihn sah, verhielt er sich sehr kalt.«
»Kalt?«
»Kalt! Sie wissen schon. Unfreundlich. Die ganze Zeit über schlecht gelaunt. Ich saß da und fragte mich, auf was ich mich da eingelassen hatte.«
»War er Ihnen gegenüber gewalttätig?«
»Er hat manchmal seinen Dad angeschrien.«
»Hat er Sie auch angeschrien?«
Rose schaut auf die rosa Zuckerkrümel auf ihrem Teller und pickt einen mit der Fingerspitze auf. Als sie ihre mageren Schultern hebt, fällt mir wieder ein, dass sie erst fünfundzwanzig ist; eine junge Frau, trotz der hausbackenen Kleidung und Frisur.
»Mrs Hart?«
»Nun, er … ich verstand es nicht. Ich dachte, wir wären verheiratet. Mann und Frau, aber wenn ich … wenn ich versuchte … Er tat, als wäre ich total dumm und hässlich. Wollte mich nicht anrühren. Ließ sich nicht berühren. Wollte sich nicht vor mir ausziehen.« Sie scheint zu ihrem Teller zu sprechen.
»Hat er Sie geschlagen?«
Sie zieht die Umrisse einer Blume auf der Tischdecke nach. Dann schüttelt sie heftig den Kopf. »Nein. Er hat nur … Dinge gesagt.«
Sie holt ein Taschentuch heraus und betupft sorgfältig die Augenwinkel, um den blauen Lidschatten nicht zu verschmieren.
»Verzeihen Sie, aber wollen Sie damit sagen, dass es niemals …« Ich suche nach einer höfliche Umschreibung.
Lächelnd sieht sie zu den Neonröhren über unseren Köpfen hinauf und kämpft mit den Tränen. »Wie nennt man das doch gleich? Die Ehe nicht vollzogen? Genauso war es. Wenn er also ein Kind haben sollte – dann mit jemand anderem.« Sie lächelt angespannt.
»Es könnte passiert sein, nachdem Sie weggegangen waren. Christo wurde im Oktober ’79 geboren. Am 25., glaube ich.«
Sie rechnet kurz. »Ich bin im Winter gegangen – im Februar, meine ich. Ende Februar, ja, richtig … Verdammt – er muss es mit irgendeiner Schlampe getrieben haben, während ich noch da war!«
Ihre Stimme bebt. Ich gebe ihr Zeit, um diese Erkenntnis zu verdauen. Es scheint einen üblen Geschmack in ihrem Mund zu hinterlassen.
»Ich hätte gern noch einen Tee.«
»Natürlich …«
Hen
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