Was mit Rose geschah
abwaschen –, und zu meinem Erstaunen sagt sie ja. Also bestellen wir Hähnchen mit Cashewnüssen und gebratenem Reis für mich und Chicken Wings mit süßsaurer Sauce und Reis für Mama. Und wir teilen uns noch eine Portion Pommes mit Currysauce.
»Was soll’s«, sagt Mama.
Der duftende Dampf aus der Tüte erfüllt das ganze Auto und lässt die Scheiben beschlagen. Mir wird schwindlig vor Hunger.Plötzlich überkommt mich eine verwegene Fröhlichkeit, die so ganz anders ist als meine düstere Stimmung in der letzten Zeit. Christo wird sich erholen – er bekommt Medikamente für sein Immunsystem, und sie finden heraus, was genau er hat, und können es behandeln. Wir werden wieder in den Zoo gehen – und ans Meer fahren und ins Kino gehen. Bald fängt die Schule an, und ich merke, dass ich mich darauf freue. Endlich kann ich an etwas anderes denken, nicht nur an die Familie. In diesem Moment erscheint alles möglich. Ich grinse Mama an, und sie lächelt zurück; vermutlich denkt sie, es wäre nur wegen des chinesischen Essens, aber das ist mir egal.
Kurz bevor wir zu Hause sind, fragt Mama plötzlich: »Was ist das denn?«
»Was?«
»Das! Oh, Gott … oh, Jesus Christus …«
Ich schaue durch das Fenster, die Feuchtigkeit auf der Scheibe nimmt mir die Sicht, fast, aber nicht ganz. Sie verdeckt nicht den dichten schwarzen Rauch, der über den Bäumen aufsteigt. Unseren Bäumen. Unserem Stellplatz. Unserem Zuhause. Ich wische über die Windschutzscheibe. Als wir näher kommen, sehen wir auch das flackernde Blaulicht.
Als wir unseren kleinen Weg entlangholpern, sehe ich Blau und Rot und Schwarz und Orange – wie in einem Film, nur zuckt und wackelt alles, als wäre der Projektor nicht in Ordnung. Zwei rote Feuerwehrautos parken so weit wie möglich vom Feuer entfernt – Ivos Wohnwagen steht in Brand, man sieht die Umrisse im grellen Licht. Weißer Löschschaum quillt aus einem Schlauch, doch das Feuer setzt sich mit immer dichterem schwarzem Rauch zur Wehr.
Erleichterung überkommt mich, und ich erschrecke vor mir selbst. Die Autos von Großmutter und Großvater sind nicht da, und ich sehe niemanden außer den Feuerwehrleuten. Wenigstens ist es nur Ivos Wohnwagen, denke ich. Und dann: Ist Ivo zurückgekommen, um sich umzubringen? Und dann: Gut.
Ein Feuerwehrmann – eine unförmige schwarze Gestalt, deren gewaltiger Kopf viel zu groß erscheint – entdeckt unser Auto und läuft herüber.
»Wohnen Sie hier?«
»Ja!«
»Wem gehört der Wohnwagen?«
»Meinem Cousin«, sagt Mama, »aber er ist ausgezogen. Er steht leer. Meine Eltern …?«
Sie deutet auf die Wohnwagen, in deren Chromverzierungen sich die Flammen spiegeln.
»Als wir kamen, war niemand hier«, sagt der Feuerwehrmann. »Wir haben in den anderen Wohnwagen nachgesehen, alle waren leer. Leider mussten wir die Türen aufbrechen. Um sicherzugehen.«
»Oh …« Mama ist zu erleichtert, um wütend zu werden. »Also ist niemand da?«
Ich hatte schon bemerkt, dass alle Autos weg sind. Vermutlich sind Großmutter und Großvater mit Großonkel irgendwohin gefahren – vielleicht ins Pub.
»Was ist mit den anderen Wohnwagen – sind sie in Sicherheit?«
»Allmählich bekommen wir das Feuer unter Kontrolle. Aber ich würde nicht reingehen, bis der Brand gelöscht ist. Wissen Sie, ob sich in dem Wohnwagen brennbares Material befunden hat?«
Ich denke an meine letzte erfolglose Suche. Das heilige Wasser hat also nicht viel genützt … außer es war durch ein perverses Wunder in Benzin verwandelt worden.
Mama schüttelt den Kopf. »Höchstens die Gasflasche für den Herd.«
»Es brannte so heftig, als wir kamen, dass wir schon an irgendeinen Brandbeschleuniger gedacht haben. Sie haben nicht zufällig Benzin oder Diesel dort gelagert?«
Wieder schüttelt Mama den Kopf.
»Okay, dann warten Sie bitte in einiger Entfernung, bis das Feuer unter Kontrolle ist.«
Also setzen wir uns ins Auto und schauen zu. Es ist unglaublich und verrückt, als wäre man in einem Autokino – so stelle ich es mir jedenfalls vor. Nur sehen wir statt eines Films, wie der Wohnwagen meines Onkels zu einem Skelett niederbrennt.
Ich esse mein chinesisches Gericht, aber Mama kriegt nichts hinunter. Also esse ich ihres auch. Und dann die Pommes, die wir uns eigentlich teilen wollten. Etwa eine Stunde später sind die Flammen gelöscht, und es steigt nur noch dunkler, unheilvoller Rauch von dem geschwärzten Metall auf. Die ganze Farbe ist weggebrannt und der Rahmen
Weitere Kostenlose Bücher