Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was mit Rose geschah

Was mit Rose geschah

Titel: Was mit Rose geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stef Penney
Vom Netzwerk:
vollkommen verbogen, bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Das ganze Ding ist mit weißen Klumpen bedeckt, den Resten des Löschschaums.
    Der Feuerwehrmann kommt zu unserem Auto.
    »Es dürfte jetzt in Ordnung sein. Wir behalten die Sache noch eine Weile im Auge. Sie können jetzt in Ihren Wohnwagen.«
    Mama nickt. Sie scheint noch immer unter Schock zu stehen.
    »Aber wie kann er in Brand geraten sein?«
    Der Feuerwehrmann zuckt mit den Schultern. »Das werden wir erst erfahren, wenn jemand hineingehen und sich umsehen kann. Aber nicht mehr heute. Er muss erst abkühlen. Gehen Sie nicht in die Nähe.«
    Er sieht Mama und mich eindringlich an.
    »Vielen Dank«, sagt Mama. »Ich … möchten Sie alle vielleicht eine Tasse Tee?«
    »Da sage ich nicht nein.«
    »Schön.«
    Der Feuerwehrmann zwinkert mir zu.
    Als Mama hineingeht, um den Kessel aufzusetzen, gehe ich um unseren Wohnwagen herum und schaue mir die beschädigten Türen an. So schlimm sehen sie gar nicht aus. Ein anderer Feuerwehrmann kommt herüber und erklärt mir, wie sie dieSchlösser reparieren wollen, damit wir sie noch benutzen können. Er ist nett, sehr höflich und respektvoll. Ich frage mich, wie es wäre, Feuerwehrmann zu sein; vermutlich niemals langweilig – außer es gäbe keine Feuer mehr. Allmählich komme ich mir wichtig vor, als hätten wir ein aufregendes Abenteuer erlebt. Nun, da die Gefahr vorbei ist, verwandelt sich alles in eine Geschichte, die ich den Leuten erzählen kann. Aber ich muss es richtig anfangen, damit es sich auch spannend anhört.
    Ich gehe zwischen den Bäumen hindurch und um den Stellplatz herum, merke mir alle Einzelheiten, bleibe aber auf Distanz zu dem verbrannten, rauchenden Wrack.
    So wie der Wohnwagen geparkt ist – Tür und Vordach in Richtung der Bäume, damit man sie beim Hereinfahren nicht sehen kann –, hat es bis jetzt niemand bemerkt. Ein paar Sekunden lang traue ich meinen Augen nicht, obwohl ich genau daraufstarre.
    Er lehnt wie betrunken an den Stufen, verfremdet durch Feuer und Schaum, und doch regt sich sofort eine dunkle Angst in mir.
    Ich renne zu Großonkels Wohnwagen, er ist leer, leer, leer.
    Dann laufe ich zu Mama, die gerade einen Teller mit Keksen herumreicht. Ich packe sie am Ellbogen und zische ihr ins Ohr: »Mama … Großonkels Rollstuhl liegt neben Ivos Wohnwagen. Warum hätte er ihn hierlassen sollen?«
    Wir beide kennen die Antwort.
    Mama stellt den Teller auf den Boden. Sie lässt mich nicht aus den Augen.
    »Der Rollstuhl? Ganz sicher?«
    »Was ist los?«
    »Der Rollstuhl meines Onkels – er liegt da drüben …«
    Sie läuft darauf zu.
    »Hat er einen zweiten?«
    Die Feuerwehrleute stellen ihre Teetassen ab, völlig konsterniert. Zwei schnappen sich ihre Helme und laufen zu dem Wohnwagen.
    Mamas Gesicht ist aschfahl. Einer der Feuerwehrleute steht vor ihr, um sie zurückzuhalten. Ich will näher heran, aber jemand packt mich am Arm.
    »Bitte, du musst hierbleiben. Bitte. Es ist zu gefährlich.«
    »Oh, mein Gott! Holt ihn raus!«, kreischt Mama.
    »Vielleicht haben sie ihn ohne Rollstuhl mitgenommen«, sage ich, ohne daran zu glauben. »Vielleicht sind sie nur ein bisschen durch die Gegend gefahren oder … oder …«
    Die Feuerwehrleute betreten den Wohnwagen und rufen sofort die Polizei, und wir erfahren die Wahrheit, lange bevor Großmutter und Großvater aus dem Pub kommen und bevor Großmutter anfängt zu schreien und zu heulen und die uniformierten Männer zu beschimpfen, die sie gar nicht beachten und den ganzen Stellplatz mit gelbem Band absperren, mit uns in der Mitte, als wären wir Beweisstücke, und deren Autos neben uns stehen, die Türen weit geöffnet, mit lautlosem Blaulicht, das bis zum Tagesanbruch flackert.

55
    Ray
    Es besteht durchaus die Möglichkeit, dass es keine Antwort geben wird. Dass die Knochensplitter in irgendeiner Schublade landen, dass die Tote niemals identifiziert wird. Doch ich ziehe es vor, diese Möglichkeit zu ignorieren, und fahre noch einmal zum Black Patch, weil ich nicht anders kann. Inzwischen kenne ich die meisten Gesichter. Die Leute haben mich mit Considine oder Hutchins gesehen, daher werde ich toleriert. Hinter dem Maschendrahtzaun und dem Plakat, das die geplante Siedlung ankündigt, ist wenig von Bauarbeiten zu sehen; alle Maschinen sind verschwunden. Der Boden um die Fundstelle herum ist in einem Raster abgesteckt wie bei einer archäologischen Grabung; das ist notwendig, weil die Bagger und das Hochwasser die Überreste so

Weitere Kostenlose Bücher