Was mit Rose geschah
Schwester, Margaret«, sagt Kizzy Wilson.
Margaret Wood – oder Mullins, wie sie jetzt heißt – sieht genauso aus wie Rose. Dichtes, glattes mattbraunes Haar und ein rundes Kinn. Dunkle, gerade Augenbrauen. Aber sie ist älter als Rose und stämmiger. Und sie hat kein Muttermal.
»Kizzy hat gesagt, dass Sie kommen. Ich wohne auch hier. Ich bin die Älteste.«
Sie gibt mir nicht die Hand.
Kizzy schiebt mich zur Sitzbank, und ich lasse mich auf dem glatten cremefarbenen Vinyl nieder, wobei ich die Füße fest auf dem Boden aufstelle, damit ich nicht abgleite.
»Sie haben einen hübschen Wohnwagen, Mrs Wilson.«
»Danke.« Kizzy gießt Milch und Wasser in Becher und bringt sie herüber. Die Teebeutel treiben darin wie ertrunkene Mäuse.
»Ich muss gleich die Jungs abholen«, sagt sie und blickt zu einer laut tickenden Kuckucksuhr hinüber. »Ich habe nicht viel Zeit.«
»Natürlich. Es dauert auch nicht lange. Ich wollte nur einen Eindruck davon bekommen, was für ein Mensch Rose gewesen ist – und falls Ihnen noch etwas zur Hochzeit einfällt … oder der Zeit danach …«
Ich wende mich an beide Schwestern. Sie haben sich rechts und links von mir postiert, so dass ich den Kopf wie bei einem Tennismatch hin und her drehen muss. Kizzy spricht in ihren Teebecher.
»Ich habe Ihnen ja schon am Telefon gesagt, dass ich nach der Hochzeit nichts mehr von ihr gehört habe. Damals habeich sie zum letzten Mal gesehen und zum letzten Mal mit ihr gesprochen. Leute, die fahren … sieht man nicht regelmäßig.«
»Und Sie?« Ich wende mich an Margaret.
»Für mich gilt das Gleiche. Wir waren bei der Hochzeit.« Sie zuckt mit den Schultern. Ihre Mundwinkel zeigen nach unten, als wäre ihr das alles ziemlich egal. »Und dann … nichts mehr.«
»Fanden Sie es nicht merkwürdig, nichts mehr von ihr zu hören?«
»Zuerst nicht. Sie war ja verheiratet.« Margaret schaut mich leicht trotzig an.
»Und später? Wann merkten Sie, dass etwas … nicht stimmte?«
Die Schwestern wechseln einen Blick. Kizzy ergreift das Wort.
»Gerüchte. Jemand hatte gehört, Rose sei weggegangen. Ich habe keine Ahnung, mit wem.«
»Aber es gab jemanden?«
»Ja, das wurde erzählt.«
»Sie hatten vorher keine Ahnung, dass es nicht gut lief?«
Ich muss ihnen die Antworten förmlich aus der Nase ziehen. Sie denken wohl, ich würde ihnen vorwerfen, sich nicht um ihre Schwester gekümmert zu haben. Sie bestehen darauf, es sei nicht ungewöhnlich, seine Familie lange Zeit nicht zu sehen; sie seien viel beschäftigte Ehefrauen mit Kindern. Sie hätten nichts gehört. Sie hätten nichts über Roses Ehe gewusst. Sie hätten auch nicht versucht, etwas herauszufinden.
»Können Sie mir sagen, was für ein Mensch sie war? Sie standen einander doch nahe, oder? Sind miteinander aufgewachsen.« Ich lächle Kizzy an.
»Sie war eben meine kleine Schwester. Ich habe mich um sie gekümmert.«
»In welcher Hinsicht?«
Sie zuckt mit den Schultern. »In jeder Hinsicht. Habe sie zur Schule gebracht. Mit ihr gespielt … Sie wissen schon.«
»Hatte sie noch andere Freundinnen – in der Schule oder … sonstwo?«
Kizzy schüttelt den Kopf. »Rose war still. Sehr still. Eher schüchtern. Wenn sie jemanden nicht kannte, sprach sie nicht mit ihm. Sie ist mir nachgelaufen wie ein Schatten. Ich hätte gemerkt, wenn sie andere Freundinnen gehabt hätte, und …«
Sie lässt die Schultern ratlos hängen.
Wieder wechseln sie einen Blick.
Ich spreche Margaret an. »Sie beide haben aber anscheinend engen Kontakt.«
Margaret funkelt mich an. »Wir haben Cousins geheiratet. Steve und Bobby arbeiten zusammen.«
»Verstehe. Und die Jankos standen Ihrer Familie nicht nahe?«
»Nein.«
»Was hielten Sie von Ivo Janko?«
Margaret schnaubt, gibt aber keine Antwort.
»Mochten Sie ihn nicht?«
Kizzy runzelt die Stirn, wodurch die Falten noch tiefer werden.
»Wie gut kannten Sie ihn oder seine Angehörigen vor der Hochzeit?«
»Eigentlich gar nicht. Niemand kannte sie gut. Sie blieben sehr für sich. Waren anders.«
Sie schaut ihre Schwester hilfesuchend an.
Margaret sagt: »Kizzy meint, sie waren nicht beliebt.«
»Es war komisch. Ivo hatte es wirklich auf Rose abgesehen, nicht wahr, Marg? Dabei liefen ihm die Mädchen nach. Mädchen, denen seine Familie egal war. Es schien, als wäre Rose so ziemlich die Letzte …«
Sie senkt den Blick, als käme sie sich wie eine Verräterin vor. Margaret spricht für sie weiter.
»Er war viel zu hübsch. Man sollte
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