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Was mit Rose geschah

Was mit Rose geschah

Titel: Was mit Rose geschah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stef Penney
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kann.
    »Wie erkenne ich Sie?«
    »Ich komme und stelle mich vor«, erwidert sie schroff. »Wie sehen Sie aus?«
    »Dunkles Haar, braune Augen, knappe eins achtzig. Vierzig Jahre alt.«
    Ich warte eine Sekunde.
    »Ich bin Rom.«
    Schweigen am anderen Ende, dann sagt sie: »Gut, ich werde Sie erkennen.«
    Ich bin eine Viertelstunde zu früh im Café in der Stadtmitte von Reigate, kann aber noch niemanden entdecken, der Luella Janko sein könnte. Ich bestelle einen Kaffee, der in einem hohen Glas serviert wird – schwach und eklig wie ein heißer Milchshake –, und setze mich in die Ecke, von der aus ich die Tür sehen kann. Rücken zur Wand, alle Ausgänge im Blick. Das musste mir mein erster Arbeitgeber nicht erst beibringen, weil ich es schon mit sieben von dem berühmten Revolverhelden Doc Holliday gelernt hatte. Ich habe die Fotos von Rose dabei. Sie wirken seltsam altmodisch, obwohl sie keine zehn Jahre alt sind. Teilweise liegt es wohl an der Kleidung und den Frisuren aus den Siebzigern, aber auch an der Farbe der Abzüge, die sie fremd und fern aussehen lassen, als stammten sie aus einem alten Film.
    Ich betrachte gerade das Hochzeitsfoto, als eine Frau an meinem Tisch auftaucht.
    »Mr Lovell.«
    Es ist keine Frage.
    »Hallo, Miss Janko. Setzen Sie sich … Tut mir leid wegen der Sache mit dem Namen, ich wusste nicht, wie Sie genannt werden möchten.«
    »Seit Mr Hearne sich verdrückt hat, hänge ich nicht mehr sonderlich an dem Namen.«
    Luella Janko. Zuerst einmal ist sie jünger als erwartet. Tenemuss auf die sechzig zugehen; sein Sohn Ivo ist Ende zwanzig. Luella hingegen scheint in meinem Alter zu sein. Ich weiß nur, dass sie sich von ihrem Ehemann, einem Fahrenden, hat scheiden lassen, in einem Haus wohnt und sich nie mit ihrer Familie trifft. Sie ist mein erster richtiger Kontakt zu den Jankos. Luella ist klein und schmal, das rabenschwarze Haar vermutlich gefärbt. Sie hat zu viel Make-up aufgelegt, das ihre Haut puderweiß aussehen lässt. Ihre Lippen sind leuchtend rot angemalt. Ihr Gesicht hat etwas Maskenhaftes – fast wie bei einer Geisha; eine Fassade. Ihre Kleidung ist nicht teuer, aber schick; grauer Hosenanzug und eine dieser riesigen weichen Handtaschen, mit denen man sich für jedes Wetter und alle Umstände rüsten kann. Sie sieht wie eine gorjio aus.
    »Sie suchen nach Rose?«, fragt sie, als ich ihr einen Kaffee bringe, und schaut die Fotos durch.
    »Können Sie mir etwas über sie sagen?«
    »Was denn zum Beispiel? Ich bin ihr nur einmal begegnet. Bei der Hochzeit.«
    »Stimmt. Und seither nicht mehr?«
    »Es war das erste und letzte Mal.«
    »Wissen Sie, wo sie jetzt ist?«
    »Nein.«
    »Was ist Ihres Wissens nach passiert?«
    »Sie ist weggelaufen – anscheinend mit einem anderen Mann.«
    »Wer hat Ihnen das erzählt?«
    »Mein Bruder und meine Schwester.«
    »Ist der Bruder zufällig Tene Janko?«
    »Ich habe nur den einen.«
    »Und die Schwester?«
    »Kath. Kath Smith.«
    »Wann war das?«
    Sie seufzt, scheint aber zu überlegen.
    »Ich glaube, etwa ein Jahr nach der Hochzeit. Vielleicht auch ein bisschen mehr … Ich habe nicht weiter danach gefragt.«
    »Warum nicht?«
    »Warum sollte ich?«
    Sie schaut mich flüchtig an und sieht dann wieder aus dem Fenster. Sie hat braune Augen, und ihre getuschten Wimpern, die wie Spinnenbeine aussehen, betonen die feinen Fältchen. Ihre Stimme klingt leicht und spröde, fast barsch – was aber auch an den Umständen liegen kann.
    »Ich finde, es wäre normal, wenn man nachfragt, nachdem die Ehe einer Verwandten zerbrochen ist.«
    »Das kommt wohl auf die Familie an. Wir stehen uns nicht nahe. Aber ich muss sagen, überrascht hat es mich nicht.«
    »Was – dass sie weggegangen ist?«
    Luella Janko lächelt schwach und schaut mich zum ersten Mal richtig an. Mustert mich prüfend.
    »Schauen Sie, Mr … Lovell – deshalb hat Leon Wood Sie doch angeheuert, oder? Weil Sie einer von uns sind. Ich kann Ihnen nicht viel sagen. Vor der Hochzeit hatten sie sich nur ein paarmal getroffen. Rose wirkte sehr still und unscheinbar.«
    Sie hält inne und senkt den Blick. »Ich glaube, mit Ivo zusammenzuleben war nicht einfach. Und Tene kann auch ein ziemlicher Mistkerl sein.«
    »Aber sie hatte ein Kind.«
    »Ja, noch einen Mann, um den sie sich kümmern musste. Sie wissen, wie es für Zigeunermädchen ist, Mr Lovell. Sie war kaum mehr als eine Dienstmagd.«
    »Können Sie mir sagen, wo ich Ihren Neffen finde?«
    »Nein. Ich kann Ihnen nur sagen, wo

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